Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Messerrücken in die ganze Länge der offenen Wunde.
Als der rotglühende Stahl sie versengte, zuckte Juliets Körper wild in den eisernen Griffen der beiden Männer. Ihre linke Hand hatte neben Ross' Bein gelegen, aber nun krallten sich ihre Finger in sein Knie und ihre Nägel gruben sich tief in sein Fleisch.
Die drei Sekunden, die Ross die Klinge in die Wunde hielt, schienen sich ewig zu dehnen. Um nicht zu brüllen, hatte sie ein Stück ihres Tagelmoust zwischen die Zähne genommen, doch als der Gestank brennenden Fleisches durch die Nachtluft waberte, stieß sie einen erstickten Schrei aus, der Ross durch Mark und Bein fuhr.
Mit einem bebenden Seufzer der Erleichterung zog er die abkühlende Klinge von ihrem Arm, doch diese Erleichterung war getrübt durch das Wissen, daß der Schmerz für Juliet alles andere als vorbei war. Sie lag voller Schrecken wie betäubt da und schien nicht zu bemerken, daß sie ihre Finger immer noch in sein Bein grub.
Saleh reichte ihm einen kleinen Topf Salbe. »Das hier wird den Schmerz ein wenig lindern.« Ross hoffte, daß Saleh recht hatte, und mit seinen Fingerkuppen strich er die Salbe sanft über die schrecklichen Wundränder. Zum Schutz legte er ihr einen leichten Verband an, doch die Blutung hatte aufgehört. So Gott wollte würde es keine Infektion geben, doch sie würde für den Rest ihres Lebens eine üble Narbe zurückbehalten.
Murad, der voller Mitgefühl zugesehen hatte, half Juliet, sich aufzusetzen, und drückte ihr dann einen stark gesüßten Tee in die Hand. Zuerst starrte sie einfach nur betäubt darauf, als ob es zuviel Mühe wäre, mit ihrem Schleier zu trinken. Doch nach einigen tiefen Atemzügen schaffte sie es, die Tasse in zwei großen Schlucken zu leeren.
Ross sah, wie weiß ihre Haut durch den Riß im Ärmel wirkte und beschloß, daß er noch heute nacht genäht werden mußte. Er reiste stets mit dem nötigen Nähzeug im Gepäck, also kramte er es hervor und nähte dann den Riß mit groben, aber effektiven Stichen. Juliet saß mit gekreuzten Beinen die ganze Zeit da und schwieg. Ihr stummes Leiden erinnerte ihn an ein verletztes Tier. »Jalal, nimm etwas von dem Opium, damit du schlafen kannst«, schlug Saleh vor.
»Nein«, wehrte sie brüsk ab. »Ich brauche nur Ruhe.« Sie erhob sich schwankend und ging dann zu ihrer Schlafmatte, die sie schon früher am Abend ausgelegt hatte. Saleh und Murad nahmen das als Zeichen und begaben sich ebenso zu ihren Schlafstellen. Ross fand, daß es einer dieser Ausnahmezustände war, wo Diskretion zum Teufel gehen konnte, also nahm er seine Matte und legte sie neben Juliets. Sein Bedürfnis, so nah wie möglich bei ihr zu liegen, war einfach zu übermächtig, um ignoriert zu werden.
Die meisten Menschen im Lager schliefen bereits, und bald atmeten auch Saleh und Murad tief und gleichmäßig Ross lag auf dem Rücken und starrte in den Nachthimmel> schmerzlich bewußt, daß Juliet an seiner Seite lag. sie lag auf dem Rücken, da diese Position ihrer Wunde am wenigsten zu schaffen machte.
Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, nahm er an, daß Juliet und er die einzigen waren, die noch nicht schliefen. Auf jeden ihrer gepreßten Atemzüge sensibilisiert, wußte er, daß sie hellwach war und litt. Mit einer Stimme, die so leise war, daß sie kaum einen Meter weit zu hören war, sagte er: »Es war gerissen von dir, dich auf den Kampf mit Habib einzulassen. Wenn du dich dafür rächen wolltest, was du bei meinem Bad im Wadi hast durchmachen müssen, dann hast du es geschafft.«
Sie antwortete mit einem atemlosen, kaum vernehmbaren Kichern. »Ich denke, dann war es das irgendwie wert.« Ernsthafter fügte sie hinzu: »Es tut mir leid, daß ich ausgerechnet dich gebeten habe, die Wunde auszubrennen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, aber ich nehme an, du hattest nicht viel Spaß an der Aufgabe.«
»In etwa so viel, wie du im umgekehrten Fall Spaß gehabt hättest«, entgegnete er trocken. »Aber jemand mußte es tun.«
Ein paar Minuten verstrichen wieder schweigend, bis Juliet flüsterte: »Du nähst ziemlich gut für einen Marquess.«
Ross lächelte in die Dunkelheit. »Du kämpfst ziemlich gut für eine Marquise.«
Sie seufzte. »Nichts, was ich kann, ist irgendwie damenhaft.«
Ihre Worte zerstörten die Beherrschung, die sich Ross die letzten zwei Stunden auferlegt hatte, und er konnte sich nicht mehr zurückhalten, sie zu berühren. Sie war nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt, und so
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