Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
streckte er den Arm aus und nahm ihre Hand in seine.
Ihre kühlen Finger bewegten sich, und er dachte schon, sie wollte sie ihm entziehen. Doch statt dessen drehte sie ihre Handinnenfläche nach oben und verschränkte ihre Finger mit seinen. Es war eine Geste, die die Anstrengung und die Qual dieser Nacht weit besser als Worte ausdrückten.
Es war einer der seltsamen Momente zwischen ihnen, in denen die Vergangenheit lebendiger als die Gegenwart erschien, und Ross spürte, wie seine Spannung nachließ, während ihre Hand sich in seiner erwärmte.
Ja, zu seiner Überraschung stellte er nur noch halbwach fest, daß sie beide sogar einschlafen konnten.
Kapitel 11
Juliet hatte sich mit ein paar Matten ein bequemes Nest im Sand gemacht und streckte sich darin genüßlich aus, den Kopf gegen eine ihrer Satteltaschen gestützt, während sie Murad bei der Zubereitung des Essens zusah.
Es war ein fauler Tag gewesen. Um sich für den letzten und anstrengendsten Teil der Strecke auszuruhen, hatte Abdul Wahab bestimmt, daß die Karawane drei Nächte in der Oase von Merw bleiben sollte. Da ihre Gruppe zu groß für die kleine Karawanserei war, hatten viele der Reisenden außerhalb unter den Palmen lagern müssen. Juliet kam das sehr gelegen, denn sie schlief lieber draußen als in der überfüllten Enge der Karawansereiverschläge. Selbst im Schatten war der Nachmittag noch sehr warm, und Juliet ertappte sich beim herzhaften Gähnen. Ein Vorteil des Tagelmoust war es, daß sie beim Gähnen nicht die Hand vor den Mund nehmen mußte, und so unterließ sie es auch. Wenn sie noch fauler würde, mußte sie sich eigentlich unweigerlich in einen großen Stein verwandeln.
Sie ließ ihren trägen Blick über das Lager schweifen sah Ross und Saleh herankommen, die Proviant im Basar gekauft hatten. Sie war von dieser Aufgabe wegen ihres Armes entbunden worden, obwohl sich die Wunde schon viel besser machte, als noch am Tag zuvor. In ein paar weiteren Tagen würde sie sie kaum noch merken.
Nachdem der Proviant verstaut war, setzten sich beide Männer an die andere Seite des Feuers und plauderten müßig über die Stadt. Ross' vorherige Reise durch die Karakum hatte Merw nicht berührt, so daß die Gemeinde ihm neu war.
Juliet achtete nicht wirklich auf ihre Worte, denn sie hatte mehr Vergnügen daran, ihren Mann einfach nur zu beobachten. Das war ein weiterer Vorteil des Schleiers; wenn sie aufpaßte, konnte keiner ausmachen, wo sie gerade hinsah. Und wenn sie in Ross' Nähe war, nutzte sie dies leidlich aus. Da ein blonder Bart verdächtig gewesen wäre, war er glattrasiert, und sein gutaussehendes, gebräuntes Gesicht zusammen mit der asiatischen Kleidung ließ ihn jeden Zentimeter wie ein strahlender Wüstenforscher erscheinen. Etwas säuerlich dachte Juliet, daß er zwischen seinen einzelnen Reisen in den Londoner Salons eine wahre Sensation darstellen mußte.
Wie sie es mit schöner Regelmäßigkeit tat, erging sich Juliet einmal mehr in Grübeleien über die Seltsamkeiten ihrer Beziehung. Da war zum Beispiel die Art, wie sie und Ross sich nach dem Messerkampf an den Händen gehalten hatten. Sie hatten beide tief und fest geschlafen, bis in der Dämmerung zum Gebet gerufen wurde. Dann hatten sie wortlos ihre verschränkten Finger voneinander gelöst. Seitdem waren eineinhalb Tage vergangen, und keiner von ihnen hatte eine Andeutung darüber fallenlassen, daß sie Hand in Hand geschlafen hatten, als würde das Nichtaussprechen bedeuten, daß es gar nicht passiert war. Nicht daß Juliet sich beschweren wollte, denn sie war dankbar für seine tröstende Geste gewesen, aber seltsam war es allemal.
Sie lobte sich außerdem dafür, daß sie sich dieses Mal nicht in seinen Armen wiedergefunden hatte, als sie aufgewacht war. Am liebsten hätte sie das der Tatsache zugeschrieben, daß sie inzwischen für seine Anziehungskraft immun geworden war, doch sie wußte, daß das nicht stimmte. Eher war es wohl so gewesen, daß ihr verletzter Arm zu sehr geschmerzt hatte, daß sie selbst im Schlaf vernünftig genug gewesen war, ihn ruhig zu halten.
Juliet gähnte wieder und fragte sich, wann das Essen wohl fertig sein würde. Zum ersten Mal seit Sarakhs hatten sie frisches Fleisch, obwohl das Stück Lamm sehr klein war, das Murad nun mit Reis und Gemüse zusammen kochte. Es duftete schon köstlich, schien aber noch eine ganze Weile zu brauchen. Und da es so war, beschloß Juliet, sich ganz wie ein richtiger Kameltreiber zu benehmen,
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