Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
zog ein Ende ihres Schleiers über die Augen und schlief ein.
    Ross betrachtete amüsiert seine schlummernde Frau. Das absolute Fehlen weiblicher Betriebsamkeit war immer schon einer ihrer attraktivsten Charakterzüge gewesen. Sie stellte den Kameltreiber so überzeugend dar, daß selbst er Mühe hatte, sich in Erinnerung zu rufen, daß sie tatsächlich eine Marquise war.
    Saleh unterbrach seine Gedanken. »Ich habe heute morgen mit dem Kafila-Bashi über Habib gesprochen«, berichtete er.
    Ross wandte sich zu seinem Gefährten um. »Und?« »Abdul Wahab sagte, er hätte Habib gestern abend aus der Karawane geworfen und ihm eine handfeste Warnung mitgegeben, weder dir noch Jalal weiteren Ärger zu machen. Habib soll recht eingeschüchtert davongezogen sein.«   
    »Ich glaube kaum, daß das lange anhält«, bemerkte trocken. »Aber schließlich sind wir ja nur noch einen Tag hier. Mit etwas Glück hat er genug mit seinem verletzten Bein zu tun, um noch etwas anzustellen, bevor wir abziehen.«
    Murad hatte einen Topf Tee gekocht, und die drei Männer tranken ihn in nachdenklichem Schweigen. Trotz seiner Worte zu Saleh, war Ross nicht froh über die Aussicht, noch einen Tag länger in Merw bleiben zu müssen. Habib mochte auf Krücken gehen, aber alles, was er brauchte, um Ärger zu machen, war seine bösartige Zunge, und diese funktionierte schließlich immer noch ganz hervorragend.
    Jemand räusperte sich leise, und Ross blickte auf, um einen abgerissenen, kleinen Turkmenen mit einem struppigen Bart zu entdecken. Der Bursche war im Lager herumgelungert, hatte hier und da angehalten, um ein paar Worte zu wechseln, und war nun an ihrem Feuer angelangt. Er schien ein heiliger Mann zu sein, obwohl sein Gewand keinem der Orden der Derwische ähnelte, die Ross kannte.
    Der Turkmene verbeugte sich. »Salam aleikum.«
    »Friede sei mit dir«, murmelten die drei Männer.
    »Ich habe gehört, daß du ein Ferengi bist, der den ganzen weiten Weg aus England zurückgelegt hat, um das Schicksal seines Bruders in Buchara zu erfahren«, wandte sich der Mann nun direkt an Ross. »Meine Name ist Abd. Niemals hatte ich die Gelegenheit, mit einem aus deinem Volk zu sprechen. Würdest du von den Wundern deines großartigen Landes berichten?« Ross' Augen verengten sich. Offenbar hatte Habib über sie geredet, und nun sah es so aus, als müßte Ross sich erneut einem theologischen Test unterziehen. Nun, er war dabei immer recht gut weggekommen, und dieser besondere Derwisch schien ihm harmlos genug. »Man nennt mich Kilburn. Sei willkommen an unserem Feuer. Ich werde dir gerne von meiner Welt erzählen und bitte dich, mir dafür etwas über dein Volk zu berichten.«
    Nachdem Ross seine Gefährten vorgestellt und Murad frischen Tee eingeschenkt hatte, kniete sich der Turkmene auf die Art der Menschen hin, die sich auf eine langatmige Diskussion einrichten. »Du bist Christ, mein Herr?« Als Ross nickte, fuhr Abd fort: »Erzähl mir von deinem Glauben, so daß ich besser verstehe, wie sich unsere Religionen voneinander unterscheiden.«
    Das hielt Ross für möglicherweise gefährlich und antwortete daher diplomatisch: »Ich ziehe es vor, darüber zu sprechen, in welchen Punkten die Religionen sich ähneln.«
    Das Gesicht des Derwischs erhellte sich. »Du bist wahrlich ein weiser Mann. Was sind aus deiner Sicht die Ähnlichkeiten?«
    »Die Wüste ist Heimat dreier großer Religionen - das Judentum, die Christenheit und der Islam«, begann Ross. »In diesem kargen und wundervollen Land steht nur wenig zwischen einem Mann und seinem Bewußtwerden von Gcttes Macht. Ich denke, das ist der Grund, warum die Menschen der Schrift an den Einen, den einzigen Gott glauben.«
    Abd neigte den Kopf wie ein neugieriger Vogel zur Seite. »Da ich nichts von der Welt jenseits der Wüste kenne, verstehe ich nicht recht, was du meinst.«
    »In Britannien, wo ich aufgewachsen bin, ist das Land feucht und fruchtbar und strotzt vor Leben. Überall gibt es Bäume, Pflanzen und Tiere. Vielleicht haben die Urahnen der Briten deswegen so viele Götter verehrt - umgeben von derart überwältigenden Beweisen von Gottes Werk, sahen sie in jedem Fels, in jedem Baum einen Götzen, statt die Hand des Herrn dahinter zu erkennen«, erklärte Ross, der sich nun für seine Theorie zu erwärmen begann. »Es brauchte die grausame Leere einer Wüste, um das deutliche Verständnis eines einzigen Gottes zu schmieden.«
    »Ah, welch ein aufregender und neuer Gedanke, den du mir da

Weitere Kostenlose Bücher