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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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in ihrer Schale.
    Während sie sich einen Löffel Eiscreme in den Mund schob, beobachtete sie durch die verglaste Nordwand ihrer Wohnung das winterliche Schneetreiben. Wie angenehm es war, wenn man gemütlich hier im Warmen saß und mit ansehen konnte, wie draußen eine Unzahl weißer Flocken vom Himmel rieselte. Dieses Apartment war ihre Zuflucht - der einzige Ort, an dem sie ein Gefühl von echter Sicherheit empfand.
    Sie wusste, es hatte ihre Eltern verletzt, als sie nach Beendigung ihres Studiums hierher gezogen war. Die großzügige Wohnung in der obersten Etage des Lennox-Turms hatten sie vor Jahren gegen eine halb verfallene viktorianische Villa ohne Klimaanlage und mit Fenstern, durch die sowohl die Sonne als auch der Regen unbarmherzig in die Zimmer drang, getauscht.
    Tabitha hatte sich dort immer wie ein Eindringling gefühlt. Obgleich ihre Eltern sich Mühe gaben, sie in ihren Zauberkreis zu ziehen, hatte sie, zu schüchtern, um der Einladung zu folgen, immer von außen zugesehen. Ganz sicher hätte es die beiden sehr geschmerzt zu wissen, dass ihre Tochter sich zwischen all den Fremden, die sich unterhalb des Lennox-Turmes durch die schneebedeckten Straßen kämpften, mehr zu Hause fühlte als in Connecticut.
    Kaum hatte sie die leere Schale neben sich gestellt, als Lucy lautlos auftauchte und sie begierig ausleckte. Erschauernd blickte Tabitha in die zunehmende Dunkelheit hinaus. Es war eine Sache, das idyllische Leben ihrer Eltern abzulehnen,
wenn sie wusste, dass sie irgendwo dort draußen hausten und sie aus der Ferne liebten - doch es war etwas völlig anderes, sich eine Welt ohne ihr Lachen, ohne ihre gegenseitige Zärtlichkeit oder die für ihre Tochter vorzustellen.
    Bereits der Gedanke verstärkte ihr Gefühl von Einsamkeit, und in ihrem Inneren wallte so etwas wie Panik auf.
    Langsam wandte sich Tabitha dem Sofa und dem Umschlag zu.
    Als sie nach ihm griff, empfand sie plötzlich nackte Angst. Sie verstand, weshalb Onkel Cop ihn ihr derart widerstrebend überreicht hatte. Immer noch hallten seine Worte durch ihren Kopf.
    Deine Mutter hat mich gebeten, dir das hier zu geben für den Fall, dass sie …
    »Hör auf mit der Schwarzseherei«, schalt Tabitha sich. »Dies hier ist, um Himmels willen, einfach ein Umschlag und nicht die Büchse der Pandora.« Entschlossen, sich ihrer Furcht zu stellen, riss sie das Päckchen eilig auf und kippte seinen Inhalt aus.
    Eine silbrige Scheibe schlitterte über den gläsernen Kaffeetisch. Tabitha erkannte sie sofort als Videodiskette, trug sie zu ihrem modularen Arbeitsplatz, schob sie in das passende Laufwerk und betete, dass es keine dieser erbärmlichen, von Bestattungsunternehmen bevorzugten Präsentationen wäre, in denen man die letzten Worte der geliebten Verschiedenen vor dem Hintergrund schluchzender Violinklänge beinahe nicht verstand.
    Der über einen Meter breite Wandbildschirm leuchtete auf, und Tabitha merkte, dass sie auf ihre Mutter starrte, die mit der kindlichen Grazie einer auf einem Pilz hockenden Elfe auf einem kleinen Schemel saß. Passend zur Farbe ihres Lippenstiftes trug sie ein weinrotes Chanelkostüm.

    Ehe die Realität ihre kindliche Fantasie zähmte, hatte sich Tabitha ihre Mama immer als Prinzessin vorgestellt. Zart und klein besaß Arian Lennox eine überirdische Schönheit, der selbst ihr hohes Alter nichts anhaben konnte. Ebenso wie die Fülle ihrer Lippen und das Blitzen ihrer Augen durch kaum merkliche Fältchen vorteilhaft betont wurde, verstärkten die drahtigen silbrigen Strähnen den reichen Schimmer ihrer dunklen Haare noch - die sie, starrsinnig, wie sie nun einmal war, niemals färbte.
    Es lag nicht an ihrer Mutter, dass Tabitha sich im Vergleich zu ihr stets gefühlt hatte wie ein Elefant. Oder dass sie insgeheim viel lieber das Aussehen ihrer Mutter und die Talente ihres Vaters geerbt hätte statt umgekehrt.
    Mit einem leisen Seufzer stellte Tabitha den Videorecorder an.
    »Hallo, mein geliebtes Tabby-Kätzchen!«
    Irgendwie wurde das Zimmer von der heiseren Stimme ihrer Mutter angenehm erwärmt. Tabitha vernahm voller Wehmut den weichen, gälischen Akzent. Ihre Mutter hatte sie nicht mehr mit diesem Kosenamen bedacht, seit sie im Alter von sieben verkündete, er wäre hoffnungslos unpassend für eine reife junge Frau wie sie. Hinter ihren Augen stiegen Tränen auf. Was sicher an ihrer stundenlangen Arbeit vor dem Bildschirm lag, sagte sie sich, und blinzelte. Lucy sprang ihr auf den Schoß und forderte energisch

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