Wilder als Hass, süsser als Liebe
ließ. »Bevor der Winter wieder eingezogen ist, bist du wieder zu Hause bei deiner Familie in Meshed.«
Reza keuchte auf; es war ihm offenbar nicht in den Sinn gekommen, daß sein neuer Meister ihn freilassen könnte. Er stolperte um den Tisch herum, fiel auf die Knie und griff nach ROSS’ Hand. Während er sie mit Küssen bedeckte, stammelte er:
»Gesegnet sollt Ihr sein, Herr. Ihr habt mich heute zweimal gerettet… erst mein Leben und nun meine Seele. Niemals will ich vergessen, was Ihr für mich getan habt. Niemals werde ich zulassen, daß jemand in meiner Gegenwart den Ferengi vor mir beleidigt. Niemals!«
»Frieden«, sagte ROSS lachend. Er entzog dem Jungen seine Hand und ließ sie einen Augenblick auf seinem seidigen, schwarzen Haar liegen. Er hatte Kinder immer gemocht; und wenn er einen Sohn gehabt hätte, würde er sich einen so aufgeweckten und unverwüstlichen Burschen gewünscht haben.
Über das Kind hinweg sah ROSS Juliet an. »Jalal bringt dich morgen zu Saleh. Wenn Abdul Wahab die nächste Karawane westwärts führt, wird er Reza sicher bei seiner Familie in Meshed abliefern.«
Reza stand auf. Nun, da er nicht länger ein Sklave war, übte er seine neue Freiheit aus, indem er sich in ROSS’ Arme warf und ihn herzhaft drückte. Danach war Juliet
dran.
Nachdem sie noch ein wenig geplaudert hatten, entließ ROSS den Jungen, damit er sich einen Schlafplatz in den Sklavenquartieren des Nawab suchen konnte. Als er fort war, registrierte ROSS, daß die einzige Tür zum Flur des Hauses aus massivem Holz bestand und mit einem schweren Riegel von innen zu verschließen war. Es war angenehm zu wissen, daß sie allein sein konnten, wenn sie es wünschten.
Er wollte sich gerade wieder zu Juliet wenden, als es an der Tür klopfte. Zwei Sklaven des Nawabs standen draußen mit einem riesigen Wäschereibottich, der sogar noch größer war als ein englisches Sitzbad. Direkt dahinter folgten zwei weitere Sklaven mit einem zusammenfaltbaren Paravent von chinesischer Herkunft, danach kamen eine ganze Reihe von Frauen mit Handtüchern, Seife und großen Kannen dampfenden, heißen Wassers.
Amüsiert ließ ROSS die Prozession an sich vorbeiziehen. Die Wanne wurde in eine Ecke des Schlafzimmers gestellt, der Wandschirm kam davor. Nachdem das
duftende Wasser hineingeschüttet worden war, zogen sich die Diener mit vielen Verbeugungen rückwärts durch die Tür zurück.
Endlich waren ROSS und Juliet allein. Zu allein - die ge-meinschaftliche Natur der Fortbewegung in der Karawane hatte ihm Schutz vor seinen eher unbeherrschten Impulsen geboten. Er ließ den Riegel über die Tür fallen und) wandte sich dann endlich zu Juliet um. Mehr als alles andere auf der Welt wünschte er sich, sie in die Arme zu ziehen und sie festzuhalten - nur festzuhalten, nichts weiter.
Doch wenn sie einmal in seinen Armen lag, würde sich das, was er wollte, ziemlich schnell verändern. Also sagte er bloß: »Du kannst zuerst baden.« Er sprach sehr leise, da es durchaus möglich war, daß sie belauscht wurden. Aber zum Glück war der Nawab wahrscheinlich der einzige im Haus, der Englisch verstand, und ROSS nahm an, daß dieser anderes zu tun hatte, als an Türen zu lauschen.
Juliet saß im Schneidersitz auf dem Diwan, und als er sprach, zog sie den Tagelmoust herunter. Einen kurzen Augenblick vergrub sie müde ihr Gesicht in den Händen. Dann erwiderte sie ebenso leise: »Du hast heute drei gute Taten getan: ein Leben gerettet, einen Sklaven befreit und ein Bad auf europäische Art arrangiert, so daß ich auch etwas davon habe. Und von allen drei Taten, denke ich, hast du für letzteres das meiste Lob verdient.«
ROSS grinste. »Und warum?«
»Rezas Leben zu retten war etwas, das du nicht nicht versuchen konntest, einen Sklaven zu befreien, den du nicht wolltest, kostet dich nichts, aber den Freuden eines Hammam zu entsagen, war ein echtes Opfer«, sagte sie mitfühlend, und mit Selbstironie fügte sie noch hinzu: »Wenn es sein muß, dann lege ich dir mein Leben zu Füßen, aber ich habe nicht den Großmut, dein Angebot, als erste zu baden, abzulehnen.«
ROSS lachte und ging dann ins Schlafzimmer, wo er in seinem Gepäck wühlte, bis er ein leichtes Baumwollgewand gefunden hatte. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du deine jetzige Kleidung wieder anziehen willst, bevor sie gewaschen wurde, also kannst du das tragen.«
»Ein Heiliger«, murmelte sie, als sie ihm das Stück abnahm, ohne seine Finger dabei zu berühren. »Ich
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