Wilder als Hass, süsser als Liebe
gelassen mitgegangen sein, so daß er sie nicht gefährdete, aber sie selbst hatte keinerlei Grund, sich zurückzuhalten.
Doch es würde wohl eher der Nawab sein, der Krokodilstränen vergießen wollte, während er sich den Besitz seines geschätzten, leider verschwundenen Gastes aneignen wollte.
Juliet befestigte den Schleier und hob dann den schweren Riegel aus der Halterung. Dann trat sie zurück und ließ die Hand zu ihrem Messer fallen, als die Tür aufschwang und ein Mann eintrat. Das Licht aus dem Schlafzimmer war so schwach, daß sie einen Augenblick brauchte, um das leuchtend goldene Haar des Eindringlings zu erkennen.
Es war ROSS. Sie starrte ihn an, ohne recht glauben zu können, daß er es wirklich war. Dann, ohne sich überhaupt noch zu vergewissern, daß sie allein waren, stürzte sie auf ihn zu und schlang erleichtert die Arme um seinen Hals.
Er hieß ihre Umarmung willkommen, legte ihr eine Hand auf die Hüfte, während die andere schnell die Tür zudrückte. Den Tränen nahe, stammelte Juliet: »Ich war sicher, daß sie dich ins Gefängnis gesteckt haben. Oder Schlimmeres.«
Einen Augenblick lang ruhte seine Wange an ihrer Schläfe. Dann ließ er sie los, um die Tür zu verriegeln. »Diesen Eindruck wollte Shahid auch vermitteln, und es hätte durchaus so ausgehen können.« Er zog seine Jacke aus, warf sie auf den Diwan und trat ins Schlafzimmer.
Juliet folgte ihm auf den Fersen. »Was ist passiert?«
»Ich wurde in ein kleines Audienzzimmer gebracht, wo Nasrullah wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief«, antwortete ROSS müde, als er sich setzte, um seine Stiefel loszuwerden. »Nachdem ich brav das Salaam ausgeführt hatte, knurrte er mich an, er hätte meine Bitte erwogen, ob ich lans Leiche mitnehmen dürfte, und sich dagegen entschieden, denn >Major Cameron war ein Verräter und ein Abtrünniger, und der Tod reicht nicht aus, um den Schmutz seiner Unehren-haftigkeit zu beseitigen^«
»So ein Ärger.« Juliet seufzte, setzte sich einige Zentimeter entfernt von ROSS auf den Diwan und zog den Schleier wieder von ihr Gesicht. »Aber viel wichtiger ist, ob wir gehen dürfen.«
ROSS band seine Krawatte auf und warf sie über seine Jacke, wobei sein weißes Hemd aufklaffte und sandfarbenes, lockiges Haar zeigte. Den Blick von etwas zu erhäschen, was öorrnalerweise verdeckt wurde, war beunruhigend erotisch, und Juliet konnte sich nur mit Mühe losreißen. Der innere Aufruhr, den sie durchgemacht hatte, während er fort gewesen war, hatte ihre Nerven strapaziert und ihre Gefühle offengelegt, und sie wußte, daß es nur sehr wenig brauchte, um den winzigen Rest an Selbstkontrolle zu vernichten.
Ohne etwas von ihren Gedanken zu ahnen, ließ er sich in die Polster zurücksinken, und seine Miene wirkte so fein gezeichnet wie ein mittelalterliches Gemälde eines leidenden Heiligen. »Der Emir meinte recht freundlich zu mir, daß er zwar lans Knochen nicht herausgeben würde, gerne aber meine statt dessen schicken wollte.«
Sie erschauderte. »Sein Sinn für Humor scheint so abstoßend wie der Rest von seinem Wesen.«
»Ich kann auch nicht behaupten, daß ich seinen Scherz komisch fand. Besuche bei diesem Gentleman sind äußerst erschöpfend«, bemerkte ROSS. »Da meine Mission, alles über lan zu erfahren, nun beendet ist, bat ich ihn um die Erlaubnis, Buchara zu verlassen. Das löste bei Nasrullah eine weitere Tirade aus, die in etwa darauf hinauslief, warum ich seine Gastfreundschaft, nach allem, was er für mich getan hat, verschmähen wollte. Drei Botschafter wären von Herat gekommen, um meine Exekution zu fordern, doch er hätte nicht auf sie gehört. Wie könnte ich verlangen, gehen zu dürfen, wo er mich doch wie einen Bruder behandeln würde?«
»Wenn ich mich recht entsinne«, warf Juliet sarkastisch ein, »hat er vier seiner Brüder abgeschlachtet. Oder waren es fünf?«
»Die Anzahl variiert, je nachdem, wen man fragt.« ROSS lehnte seinen Kopf gegen die weißgetünchte Wand. »Mit allergrößtem Takt - Mutter wäre stolz auf mich gewesen - sagte ich ihm, wie zutiefst dankbar ich für seinen Großmut wäre, aber daß mein Vater alt und krank wäre, und ich schon so lange fort sein würde, daß ich ihn möglicherweise nicht mehr auf Erden sehen würde.«
»Wenigstens das ist die Wahrheit.«
ROSS hob amüsiert die Augenbrauen. »Ich bin der Wahrheit nicht abgeneigt, wenn sie mir etwas nützt. Auf jeden Fall besänftigte meine Bemerkung den Emir ein wenig, was ich recht
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