Wilder als Hass, süsser als Liebe
Räume zurück und ließ sich auf dem Diwan nieder, um Kleidung auszubessern. Sie stellte mit leichter Ironie einmal mehr fest, daß sie sich in der Verkleidung eines Mannes ] mehr mit häuslichen Aufgaben beschäftigte, als sie es als Frau getan hatte, aber Langeweile war eine mächtige Triebfeder. Im übrigen fand sie heimliche Befriedigung darin, sich um den Besitz ihres Mannes zu kümmern.
Zu ihrem Bedauern war die kurze Periode der lockeren Kameradschaft zwischen ihnen vorbei - die Feuersäule zwischen ihnen hatte sie aufgezehrt. Obwohl Juliet sich beschäftigt hielt, weil sie hoffte, daß wilde Aktivität sie zu müde machen würde, um noch Begierde zu empfinden, geschah nichts dergleichen. An heißen Tagen und in rastlosen Nächten wuchs die Spannung unaufhaltsam, wie ein Gewittersturm sich zusammenbraut.-Es war eine Zeit voll angespanntem Schweigen und absichtlichem Distanzeinhalten, und Juliet wußte, daß sich bald etwas ändern mußte, denn es war unmöglich, die Situation viel länger zu ertragen.
An diesem Abend kehrte ROSS von seinem Essen mit dem Nawab relativ früh zurück. Als er eingetreten war und die Tür verriegelt hatte, legte Juliet ihr Nähzeug beiseite und streckte die Arme über den Kopf. »Die Unmenge, die du weißt, erstaunt mich immer wieder«, sagte sie mit der leisen Stimme, die sie sich angewöhnt hatten, um eventuellen Lauschern entgegenzuwirken. »Weißt du denn immer eine Antwort auf alles, was sie dich fragen?«
»Meine Ausbildung in Cambridge hat sich als unschätzbar wertvoll erwiesen, aber dennoch muß ich mir manchmal etwas ausdenken«, gab ROSS mit einem schiefen Grinsen zurück. »Ich glaube, es ist gefährlich, Unwissenheit zuzugeben, denn die Fragesteller des Emirs würden glauben, ich halte nur absichtlich Informationen zurück. Es scheint mir sicherer, Falsches zu erzählen als zu schweigen.«
»Vielleicht tust du nur so, als ob, das aber sehr gut. Mich hast du jedenfalls überzeugt.« Sie blickte wieder nach unten, um die letzten Stiche in dem Hemd anzubringen, das sie gerade ausbesserte, dann verknotete sie den Faden und biß ihn ab. »Dein Hemd ist fertig. Mir geht langsam die Arbeit aus.
Vielleicht hätte ich doch besser aufgepaßt, als mir meine Mutter das Stricken beibringen wollte.«
Juliet wollte aufstehen, um das Kleidungsstück in ROSS’ Zimmer zu bringen, doch er stand bereits vor ihr, um es ihr abzunehmen.
Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke und hielten einander fest. Juliet hielt unwillkürlich den Atem an, als sie den wilden Schmerz in seinen Augen sah. Die ganzen letzten Wochen über war ROSS ein Muster an Zurückhaltung gewesen, doch nun erkannte sie, was diese Zurückhaltung ihn kostete. Die eiserne Kontrolle, die sie so an ihm bewunderte, war bis zum äußersten strapaziert worden, und die Erkenntnis, wie nah sie am Abgrund standen, entsetzte sie. Es würde praktisch nichts brauchen, um sich ihrem Verlangen und der Erfüllung hinzugeben. Und der Katastrophe auszuliefern.
Sie riß ihren Blick los und haßte sich für ihre Feigheit. ROSS trat ein paar Schritte zurück. »Ich habe Schwierigkeiten, mir dich mit einer solch friedvollen Aufgabe wie Strik-ken vorzustellen«, bemerkte er, wobei seine Stimme fast normal klang. »Vielleicht solltest du es mal mit Schnitzen versuchen. Ein Messer scheint mir passender für dich als eine Stricknadel.« Dann wünschte er ihr gute Nacht und zog sich in sein Schlafzimmer zurück.
Die ganze Begegnung hatte nur Sekunden gedauert, und das scharfe Verlangen ebbte ab, als wäre es nie aufgeflammt. Juliet löschte die Lampen und rollte sich auf ihrem Lager zusammen.
Mit der Ausnahme der ersten Nacht in Buchara, als sie ROSS’
Baumwollgewand getragen hatte, schlief sie in ihren Tuareg-Kleidern, wobei sie den Tagel-moust sofort hochziehen konnte, falls es nötig werden sollte. Wenigstens mußte sie hier, wo man die Tür verriegeln konnte, nicht mehr verschleiert schlafen.
Im Schlafzimmer brannte noch eine Lampe, und sie konnte das Kratzen einer Feder auf Papier hören. Immer der gelehrte Beobachter, machte ROSS selbst jetzt Notizen über das, was er in Buchara erlebte. Juliet nahm an, daß es seine Art war, mit der Anspannung fertig zu werden. Was sie betraf, so lag sie einfach nur still da und biß auf ihren Schleier, bis sie sich langsam entspannen konnte.
Sie war gerade erst in einen leichten Schlummer geglitten, als jemand an die Tür zu hämmern begann. Augenblicklich wach, sprang sie auf, zog
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