Wilder als Hass, süsser als Liebe
hatte gehört, daß Juliet auf der Insel sein sollte, dachte aber, er würde sie suchen müssen. Trotzdem hatte er ohne rechte Hoffnung am Empfang nachgefragt, ob Lady ROSS Carlisle bereits angekommen war, denn sie wollte ihn baldmöglichst treffen.
Als er sie beschrieben hatte, hatte sich das Gesicht des Concierge erhellt. Ah ja, die wunderschöne englische Lady, ja, sie wohnte tatsächlich hier. ROSS’ Gepäck war bereits hinaufgetragen worden, doch der romantische Concierge hatte ihm mit wissendem Lächeln einen anderen Schlüssel gegeben und ihm Juliets Zimmer genannt.
»Für den Fall, daß der englische Milord für die Wiedervereinigung nicht bis zum nächsten Morgen warten möchte.«
Es war sehr spät, und ROSS wußte, daß er warten sollte, doch er hatte sich einfach nicht zurückhalten können, die hilfreiche Indiskretion des Concierge auszunutzen. Das Zimmer war leicht zu finden gewesen, am Südende des Korridors im zweiten Stock.
Bei dem Wissen, daß Juliet nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, hatte sein Herz schneller geschlagen, vor übermächtiger Sehnsucht. Nicht einen Moment hatte er daran gezweifelt, daß sie alles wieder hinbiegen konnten. Juliet gehörte zu ihm!
Doch gerade als er anklopfen wollte war die Tür plötzlich aufgeflogen, und ein Mann war hinausgekommen. ROSS hatte das Gefühl gehabt, man hätte ihn in den Magen getreten. Die Kleidung des Mannes war in Unordnung gewesen, so, als hätte er sie nur hastig üb er gestreift, und er hatte das schmierige Lächeln eines satten Katers gezeigt. Worte aus Feuer, die auf der Wand erschienen wären, hätten ihm nicht deutlicher sagen können, daß dieser Typ gerade eine sexuelle Begegnung mit der Dame hinter der Tür gehabt hatte.
Und ROSS hatte den gutaussehenden Mann erkannt, was im gewissen Sinne alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Es war der Comte d’Auxerre gewesen, ein französischer Diplomat, der ROSS einmal auf einem Ball in London vorgestellt worden war.
Der Comte hatte sich allerdings nicht an ihn erinnern können. Er hatte lediglich anzüglich gegrinst, als er den schweren, alten Schlüssel in der Hand des Neuankömmlings bemerkt hatte.
»Ah, die junge Lady ist so heiß wie die Farbe ihres Haares. Viel Spaß, mein Freund. Sie ist es wert, daß man den Schlaf einer Nacht dafür opfert.« Dann war der Graf höflich um ihn herumgegangen, ohne zu wissen, wie nah er dem Tod gewesen war.
Wieder allein, hatte ROSS wie gelähmt dagestanden, sein Körper war eiskalt und doch schweißüberströmt gewesen. Seine Welt war soeben unwiederbringlich zerschmettert worden.
Der Schmerz seiner Nägel, die sich in seine Handflächen bohrten, brachten ihn nun wieder in die Gegenwart zurück; eine Gegenwart, die fast so qualvoll war wie die Vergangenheit. Rauh sagte er: »Als ich im Hotel Bianca angekommen war, sagte man mir, du wärest ebenfalls zu Gast, also ging ich zu deinem Zimmer hinauf. Ich wollte gerade klopfen, als einer deiner Liebhaber mit ausgesprochen zufriedener Miene herausmarschiert kam. Es war der Comte dAuxerre. Erinnerst du dich an ihn? Oder war er bloß eine vorübergehende Laune, die du am Morgen schon vergessen hattest?«
Ein qualvolles Zucken lief über Juliets Gesicht, und sie senkte den Kopf. Ein vereinzelter Strahl der aufgehenden Sonne ließ wie zum Hohn die Kette an ihrem Hals aufleuchten.
Ihr hartnäckiges Schweigen verstärkte ROSS’ Zorn. Er hatte niemals ausgesprochen, was er auf Malta gesehen hatte, doch nun konnte er das entsetzliche Gefühl nicht länger zurückhalten. »Es ist mir niemals in den Sinn gekommen, daß ich dich mit einem anderen Mann im Bett ertappen könnte«, stieß er bitter hervor. »Es war erst drei Wochen hergewesen, Juliet. Drei verdammte Wochen erst. War er der erste, oder hast du in jedem Hotel zwischen Chapelgate und Malta einen anderen genommen?«
Sie schüttelte den gesenkten Kopf, und ihr langes Haar verschleierte ihr Gesicht, doch sie machte keinen Versuch, sich zu verteidigen.
ROSS ließ sich aus dem Bett rollen und trat steif zum Fenster hinüber, das mit Lattenblenden geschützt war, die Licht und Luft hereinließen. Während er auf den leeren Hof hinunterstarrte, fauchte er: »Hast du denn gar nichts dazu zu sagen? Du kannst gestehen oder es widerlegen, du kannst auch prahlen. Aber sag irgend etwas, verdammt noch mal! Mit ein bißchen Geschick kannst du mich doch vielleicht sogar überzeugen, daß ich zum falschen Zimmer gegangen war.«
»Ich kann es nicht leugnen.
Weitere Kostenlose Bücher