Wilder als Hass, süsser als Liebe
ihr linker Arm über seiner Hüfte lag und sie ihr unverschleiertes Gesicht an seine breite Brust gepreßt hatte. Ihr linkes Bein hatte sie zwischen seine Schenkel geschoben.
Die Tatsache, daß sie beide in dicke Decken eingerollt waren, machte keinen Unterschied, denn der Effekt, den diese Nähe auf Juliets verwirrte Sinne hatte, hätte nicht heftiger sein können, wenn sie nackt gewesen wären. Jede Faser ihres Körpers vibrierte in einer Reaktion, die teils körperlich, teils irgend etwas anderes, Tiefergehendes und viel Verstörenderes war.
Zitternd stieß sie langsam den Atem aus, ängstlich, ROSS
aufzuwecken. Gott sei Dank schlief er immer sehr fest. Seine Atmung war tief und gleichmäßig, und er war sich offenbar nicht bewußt, daß sie sich während der Nacht wie die zwei entgegengesetzten Pole eines Magnets aufeinander zubewegt hatten. Sie hatten früher stets so ineinander verschlungen geschlafen, wobei sie sich immer harmonisch dem anderen anpaßten, so daß sie sich permanent berührten. In der Nacht, als ihr Verstand im Schlaf ausgeschaltet gewesen war, hatten ihre Körper instinktiv zu dem zurückgefunden, was vor zwölf Jahren so vollkommen normal gewesen war.
Man hätte darüber lachen können, wenn es nicht so übel gewesen wäre. Mit allergrößter Behutsamkeit zog Juliet sich aus ROSS’
Umarmung. Doch dann hielt sie einen Moment inne. Zum ersten Mal, seit sie sich wiedergetroffen hatten, konnte sie ihn in Ruhe betrachten.
Im schwachen Licht der aufkommenden Dämmerung hatten seine Züge eine bezaubernde männliche Schönheit. Er war wirklich der bestaussehendste Mann, den sie je
kennengelernt hatte, selbst jetzt, da er etwas ungepflegt war und einen schwachen Schatten von Bartwuchs hatte. In den vergangenen Jahren hatte sein Gesicht ein härteres, charakteristischeres Aussehen angenommen. Und dennoch war noch die gleiche grundsätzliche Unauffälligkeit in seinen Zügen, die sie immer so an ihm geliebt hatte. Sie hatte soviel gehabt - und alles fortgeworfen.
In einem plötzlichen Impuls beugte sie sich vor und küßte ihn auf die Mulde zwischen Kiefer und Halsansatz, so zart, daß ihre Berührung ihn kaum stören konnte. Feine Härchen kitzelten ihre Lippen, und sie spürte einen schwacher Geschmack nach Salz, als sie sich zurückzog.
Der Kuß war ein Fehler gewesen, denn trotz ihrer Vorsicht veränderte ROSS’ Atmung sich, wurde schneller. Das langsame, ausgedehnte Liebesspiel in den frühen Morgenstunden war immer das schönste für sie gewesen. Früher …
Heftig biß sie sich auf die Unterlippe, um die sinnliche Wärme zu verdrängen, die sich nun in ihrem Unterleib ausbreitete. Eher schnell als vorsichtig machte sie sich endgültig aus seinen Armen frei und rollte sich dann sofort herum. Hinter ihr seufzte ROSS auf und bewegte sich immer noch schlafend ein wenig. Man mußte auch für kleine Wunder dankbar sein.
Juliet wickelte den Schleier wieder fest um ihr Gesicht und wartete dann auf die Rufe zum morgendlichen Gebet. Doch auch die dicke Decke, die sie wie eine Rüstung um sich gezogen hatte, konnte die Wärme von ROSS’ Körper nicht ersetzen.
Verzweifelt fragte sie sich, warum, zum Teufel, das Leben so kompliziert sein mußte.
Durch die endlose Wüste ohne erkennbare Wege zu reisen, verursachte einen Zustand von fast meditativer Leere im Kopf, den die Araber kifnaimten. ROSS genoß diese Augenblicke, in denen man sich absolut frei fühlte. Frei von allen Sorgen und Problemen!
Es war später Nachmittag, und sie würden bald zum Rasten anhalten, also gähnte er herzhaft, glitt aus dem Sattel und begann, neben seinem Kamel herzulaufen. An einer Führleine mit seinem Reittier verbunden, ging eines der Packtiere hinter ihm.
Inzwischen vier Tage in der Wüste unterwegs, hatte sich in der Karawane die übliche Routine eingespielt. Im Sommer würden die Reisenden am Nachmittag aufsitzen und die ganze Nacht durchreiten, um die tödliche Hitze zu vermeiden, doch da es noch Frühling war und das Klima gemäßigt, brachen sie stets vor der Dämmerung auf und hielten an, wenn es zu dunkeln begann. Die meisten Männer sprachen ihre Gebete während des Rittes, denn der Koran erlaubte das. Aber es gab auch welche, die so gläubig waren, daß sie absaßen, beteten und dann die Karawane wieder einholten.
Es war notwendig, mindesten zwölf bis vierzehn Stunden täglich in Bewegung zu bleiben, denn Kamele schlenderten am liebsten mit einer Geschwindigkeit von nur zwei Meilen pro Stunde
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