Wilder als Hass, süsser als Liebe
beschwerte Kadaver lag in der Mitte eines Kreises, der mit weißem Kalk gezogen worden war.
Er deutete mit der Hand zum Horizont. »Dort hinten steht der Pfahl, um den das boz gebracht werden muß. Da die Sonne schon heiß brennt und dies nur ein kleines Freundschaftsspiel ist, haben wir den Pfahl ziemlich nah gesetzt.« Tatsächlich war er auf diese Entfernung kaum sichtbar.
Schließlich zeigte Dil Assa auf den Kalkkreis. »Dann muß das boz zurück in den hallal, den Kreis der Gerechtigkeit, gebracht werden. Der Mann, der das Tier in den Kreis wirft, ist Sieger.«
Mit einem wölfischen Grinsen setzte er hinzu: »Können wir anfangen, mein Ferengi-Freund?«
»Ich bin bereit, wenn du es bist.« ROSS nickte vergnügt.
Auf Dil Assas Signal steckte der Buskaschi-Meister, ein älterer Mann mit einem durch Peitschenhiebe zernarbten Gesicht, die Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Sofort setzten sich die Reiter in Bewegung und sammelten sich um die Ziege im Kreis. ROSS fand einen
Platz Dil Assa gegenüber. Die Luft vibrierte in der steigenden Spannung, während sich die Reiter in ihren Sätteln leicht aufrichteten und warteten, jeder begierig, der erste, der wildeste und der erfolgreichste zu sein.
Der Meister hob den Arm, dann ließ er ihn fallen. »Fangt an!«
Die Reiter trieben ihre Pferde voran, und augenblicklich löste sich der Zirkel in einem Mahlstrom chaotischer Aktivität auf. Nur ROSS hielt sein Tier zurück, denn er wollte erst zusehen, um das Spiel besser zu begreifen.
Ein leichtgebauter Mann stellte sich als der schnellste heraus, beugte sich herunter und riß die Ziege an sich. Sofort griffen zwei andere zu, die an zwei verschiedenen Beinen des Kadavers zogen, wobei sie wie Fischweiber schrien und zeterten. Ein Dritter trieb sein Pferd zwischen die beiden, trennte sie, indem er sein Pferd auf den Hinterbeinen steigen ließ und packte sich dann selbst die Beute.
In einem unglaublichen Durcheinander wechselte die Ziege von Hand zu Hand, wurde über Pferdehälse und Sättel gerissen und unter Tierbäuchen hergezogen. Zweimal fiel der Kadaver zu Boden und wurde augenblicklich wieder hochgezerrt. Es war eine barbarische, wilde Szenen, und in kürzester Zeit war die Luft von dem Geruch von Pferd, Schweiß, Blut und Leder geschwängert.
ROSS erkannte, daß die Peitschen weniger für die Pferde, sondern für die Gegner gedacht waren. Hände und Gesichter wiesen schon tiefe, blutige Schnitte auf, aber in der Hitze des Gefechtes nahm es niemand zur Kenntnis. Die Stiefel mit den hohen Absätzen hielten die Reiter in ihren Steigbügeln, wenn sie sich mit dem Peitschengriff zwischen den Zähnen streckten und wanden, um den Preis zu erhäschen.
Nicht nur die Reiter kämpften wie wahnsinnig. Die Pferde waren gleichermaßen aggressiv und stürzten sich mit gebleckten Zähnen in das Gewühl, bissen, bockten und schlugen mit ihren Hufen. Reiter und Pferde bewegten sich wie eins, wie eine Rasse Zentauren, bestehend aus Tier und Mensch gleichzeitig. Und mitten in diesem Sturm kämpfte Dil, Assa, der wildeste unter den Wilden.
Einmal geriet der gesamte wirbelnde Pulk in die Menge des Publikums hinein. Heulende Zuschauer stoben zur Seite, aber es waren nicht alle flink genug, und als der Buskaschi-Mob wieder fortschwappte, blieben drei jammernde, verwundete Zufallsopfer zurück.
Eingehüllt in eine Staubwolke, die in den Augen brannte, bewegte sich die turbulente Menge langsam auf den Pfeiler zu. ROSS fand, daß die meisten der Reiter sich verausgabten, lange bevor sie den Kreis der Gerechtigkeit erreichen würden. Ein Spieler, der sich zurückhielt und sein Pferd zügelte, würde am Ende weitaus mehr Chancen auf einen Sieg haben. Doch Strategie schien den Männern vor ihm nichts zu bedeuten: Sie kämpften aus purer barbarischer Lust am Kampf.
Die Wogen der Gewalt schlugen immer wieder über ROSS und Rabat zusammen und entzündeten ein Feuer in den Adern, das sie rief und lockte, sich dem Wahnsinn des Pulks zu ergeben und in den Tumult hineinzustürzen. Für das Buskaschi ausgebildet, versuchte der weiße Hengst, sich mitten in das Gewühl zu werfen, doch ROSS hielt ihn mit all seiner Kraft in den Schenkeln und Armen zurück.
Doch der Kampf um die Beherrschung seines Pferdes war nicht das schlimmste. ROSS spürte, wie die Hitze der Gewalt ihn mitriß.
Er hatte vorgehabt, zurückhaltend mitzumischen, sobald er begriffen hatte, wie das Spiel funktionierte, doch nun hatte er Angst davor. Es
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