Wilder als Hass, süsser als Liebe
bescheiden gab, wollte es aber nicht ansprechen. »In diesem Fall sollten sich deine Einnahmen ja vervierfachen, wenn du den >Duke of Windermere< vorne draufschreibst.«
»Vermutlich«, murmelte er ohne Begeisterung. Sein Blick glitt zum Horizont zurück. Dann spannten sich seine Gesichtszüge plötzlich an. »Verdammt! Ein Sandsturm zieht auf.«
In den wenigen Minuten, die sie beieinander waren, hatte sich der Himmel verdunkelt, und der ewige Wind blies nun um einiges stärker. Juliet sah in die Richtung, die ROSS gewiesen hatte, und entdeckte nun auch die drohenden blaugelblichen Wolken, die sich über den Dünen zusammenballten. Eine dicke, graue Wand kam von dort auf sie herunter.
»Sieht ziemlich übel aus.« ROSS sprang auf. »Komm, wir warnen besser die Karawane, sich vorzubereiten.«
Juliet stand ebenfalls auf, aber bevor sie sich in Bewegung setzte, nahm sie sich ein wenig Zeit, den Sturm genauer zu untersuchen.
Und was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Die Staubwolke raste mit einer Geschwindigkeit auf sie zu, der kein Mensch davonlaufen konnte, und an ihren Rändern wirbelten gewaltige spiralförmige Säulen. Während sie näherrückte, erfüllte ein geisterhaftes Stöhnen die Luft, welches die Nerven zerrütten konnte.
Gegen den Wind anbrüllend, lief sie hinter ihrem Mann her.
»Ross, dazu ist keine Zeit mehr! Runter, und bedeck deinen Kopf!«
Eine Windböe traf sie mit einer Gewalt, die sie fast von den Füßen gerissen hätte, und brachte selbst Ross zum Taumeln. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, wandte er sich um und begann, sich langsam zu ihr zurückzuarbeiten, wobei der aufgepeitschte Sand seine Gestalt verschwimmen ließ. Er hatte den Stoff seines Turbans über Mund und Nase gezogen, doch Juliet wußte, daß die leichte Faser nicht genug Schutz gegen einen Sturm von dieser Kraft bot. Sogar ihr schwerer, mehrschichtiger Tagelmoust konnte nicht den ganzen Sand abhalten.
Sie waren immer noch fünfzehn Meter voneinander entfernt, als der Sturm mit aller Macht auf sie niederbrauste. Es war der schlimmste Sandsturm, den Juliet je erlebt hatte, und er war grausam genug, jeden zu ersticken, der sich nicht richtig zudecken konnte. Zu sehen war nichts mehr, und messerscharfe Sandkörner schrammten über ihre bloßen Hände und den schmalen Schlitz in ihrem Gesicht, der nicht vom Schleier bedeckt war. Sie bückte sich, um die Angriffsfläche, die sie dem Wind bot, zu verringern und schrie: »Ross!«
Sie glaubte, ihn zurückrufen zu hören, aber es war unmöglich, bei diesem Geheul des Windes sicher zu sein. Da sie wußte, daß sie besser als Ross ausgerüstet war, solcher Naturgewalt zu trotzen, versuchte sie, sich weiter in die Richtung zu bewegen, in der sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, doch sie hatte die Orientierung in der formlosen, wirbelnden Masse von Sand vollkommen verloren. Obwohl sie immer und immer wieder seinen Namen rief, als der Sturm sie vorwärtsdrückte, bekam sie kein einziges Mal eine Antwort.
Der Panik nahe, redete sie sich ein, daß Ross kein Narr war. Er war erfahren genug, um sich niederzulegen und seinen langen Mantel über seinen Kopf zu wickeln. Doch die Kleidung, die er trug, wurde mit einer Schärpe gehalten, und es brauchte Zeit, sie zu lösen. Wenn er zu lange benötigte … wenn sein Mund und seine Lungen sich mit Sand füllten …
Als sie die Hoffnung schon aufgeben wollte, stolperte sie buchstäblich über ihn. Er lag auf den Knien und versuchte, mehr von dem Turban zu lösen, um sein Gesicht besser zu schützen, doch er hustete und würgte so sehr, daß er praktisch hilflos war.
Juliet riß sich ihren langen, dichtgewebten Umhang ab, und faltete ihn einmal, damit sie doppelten Schutz haben würden. Dann ließ sie sich zu Boden fallen und zog ihren Mann zu sich herunter. Der Wind zerrte wild an ihrem Mantel und drohte, ihn ihr aus den Händen zu reißen, aber sie hielt grimmig fest und stopfte die Ränder um ihre Körper herum fest, bis sie vom Kopf bis zu den Knien eingehüllt waren. In weniger als einer Minute hatte sie einen engen Kokon für sie beide geschaffen, der sie vor dem tödlichen Sand beschützte.
Ross’ Körper zuckte krampfartig, während er nach Luft rang, und so löste sie die kleine Wasserflasche, die stets um ihre Taille hing, wenn sie in der Wüste war. Es war nicht leicht, das Fläschchen nach oben zu bringen, ohne den Umhang loszulassen, aber mit einiger Mühe schaffte sie es schließlich, sie bis zu
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