Wilder als Hass, süsser als Liebe
Informationen kommen. Aber jemand muß bei dir bleiben, da dein Rang verlangt, daß du einen Diener hast. Zudem ist es schwieriger und gefährlicher, mich mit dir in Verbindung zu setzen, wenn du allein bist.«
ROSS überlegte einen Moment. »Das macht Sinn. Juliet geht mit dir, und Murad bleibt bei mir.«
»Nein«, wehrte sich Juliet sofort. »Wo du hingehst, gehe ich auch hin.«
Als alle drei Männer sie ansahen, überkam sie heftige Verlegenheit. Ihr Protest war so unvernünftig wie vehement gewesen. Eine halbe Stunde zuvor hatte sie sich noch eingeredet, daß sie sich von ROSS fernhalten mußte, doch allein der Gedanke daran, ließ sie jetzt verzweifeln. Zum Glück meldete sich Murad zu Wort, während sie noch versuchte, einen logischen Grund für ihre Reaktion zu finden.
»Das finde ich auch«, stimmte der junge Perser zu. »Irre werden im Islam als heilige Narren angesehen und haben als solche viel Freiheit.« Er grinste kurz. »Obwohl >Jalal, der Targi<, nicht wahnsinnig ist, spielt Lady Küburn die Rolle ausgesprochen gut. Weil sie glauben, Jalal sei unberechenbar und seltsam, halten sich unsere Mitreisenden von ihm … ihr fern. In Buchara wird sie unbemerkt wie ein Nomadenhund kommen und gehen können.« Sein Grinsen wurde breiter. »Sollten Mann und Frau nicht außerdem zusammen sein?«
ROSS warf Juliet einen bedeutungsvollen Blick zu. Seine Augen hatten sich so verdunkelt, daß sie fast schwarz wirkten, und in seiner Miene las sie die gleiche Zerrissenheit, die sie selbst empfand. Beide mochten den anderen ans entgegengesetzte Ende der Welt wünschen, aber bis diese Mission erfüllt war, waren sie nun mal aneinander gebunden. Sie waren wie zwei Menschen, die ein Bett teilten, das zwar zu klein, aber dennoch die einzige Schlafmöglichkeit war.
»Also gut«, gab er endlich nach. »Wenn du unbedingt die Heldin spielen willst, dann soll es so sein. Doch nun zu etwas anderem: Was wird uns im Zollhaus von Buchara erwarten? Ich möchte wissen, ob wir unsere Waffen mit in die Stadt nehmen können.«
»Mit den Pistolen dürfte es keine Schwierigkeiten geben«, antwortete Murad nachdenklich. »Aber wenn du versuchst, die beiden herrlichen Gewehre einzuschleusen, wird man sie bestimmt beschlagnahmen.«
»Vielleicht sollten wir sie einwickeln und außerhalb der Stadt verstecken«, schlug Saleh vor. »Mein Bruder bewohnt noch unser Familienanwesen, und es liegt nahe der Karawanenstraße. Ich denke, eure Waffen könnten in einem der Außengebäude sicher gelagert werden.«
Die Männer begannen, die Möglichkeit detaillierter zu besprechen, doch Juliet zog sich aus dem Gespräch zurück. Sie hatte das intensive Gefühl, daß sie richtig entschieden hatte. Und sie war ebenso davon überzeugt daß es ihr und ROSS fürchterliche Schwierigkeiten bereiten würde.
Kapitel 14
DIE STEILE SANDDÜNE brachte Juliets Kamele in eine derartig hinterhältige Schräglage, daß sie abstieg und die beiden Tiere am Zügel den Hang hinunterführte.
Am Fuß der Düne stieg Juliet wieder auf und gönnte sich einen winzigen Schluck Wasser. Sie befeuchtete ihre Lippen damit und hielt das Wasser dann so lange wie möglich im Mund, bevor sie es schluckte. Obwohl es warm und durch den Wasserschlauch ölig war, schmeckte es ihr immer noch wie Nektar, denn die Hitze verriet schon eher den Sommer.
Nach Merw waren sie drei Tage durch einen Wüstenstreifen gezogen, in dem es keine Oasen gegeben hatte. Erst in Ratifak konnten sie wieder ihre Schläuche füllen, aber erst nachdem sie zwei Brunnen ausgegraben hatten, die plündernde Turkmenen mit Sand und Steinen zugeschüttet hatten.
Müde rieb Juliet sich ihre Stirn und dachte daran, wie schön es wäre, den Wind in ihrem Gesicht zu spüren … sie hatte es von ganzem Herzen satt, von Kopf bis Fuß eingehüllt zu sein. Aber ganz abgesehen von der Notwendigkeit der Verkleidung machte die Hitze in der Wüste es unabdingbar, mehrere Lagen Stoff zu tragen, damit der Körper nicht zu viel Flüssigkeit verlor.
Während sie sich ihren Weg zwischen den Dünen bahnten, wirbelte der Sand unter den Kamelhufen auf und wurde vom Wind davongetragen. Die Karakum wäre im Sommer unpassierbar, wenn es nicht das gegeben hätte, was die Turkmenen so poetisch den »Wind der hundert Tage« nannten. Er kam aus dem Norden und blies manchmal sanft, meistens heftig, flaute aber niemals ab. In der Ferne erkannte Juliet einen Staubteufel, eine Windhose, die feinen Sand hoch in die Luft wirbelte. Man konnte solche
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