Wilder Engel (German Edition)
normal.
»No, Señor. Schließung später.«
In diesem Augenblick jodelte irgendwo ganz in der Nähe ein Handy eine wilde Melodie herunter.
»Sí«, hörte Angie als Nächstes. Dann folgte auch schon ein wahrer Wortschwall auf Spanisch. In einer Lautstärke, die in jedem anderen Land hätte zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass hier ein heftiger Streit per Mobiltelefon ausgetragen wurde. Aber Teneriffa gehörte bekanntlich zu Spanien, und hier war alles ein wenig anders als anderswo. So viel wusste Angie nun auch bereits aus Angelas Aufzeichnungen.
Allister hingegen musste sich erschreckt haben, jedenfalls hörte Angie kurz darauf auch wieder die Ladenglocke anschlagen und spürte noch den leisen Luftzug, als ihr attraktiver schottischer Verfolger das Weite suchte.
Sie war erleichtert und enttäuscht zugleich. Eine seltsame Gefühlsmischung, die sie nicht richtig einordnen konnte, aber so war es nun mal. Immerhin gelang es ihr aber jetzt, die verdammte Kreditkarte mit Angela Engels Namenszug unter der Vitrine hervorzuangeln.
Die Verkäuferin telefonierte weiterhin unverdrossen, als Angie samt VISACARD wieder aus der Versenkung auftauchte. Dabei drehte sie ihr auch noch den Rücken zu, was wohl heißen sollte, dies hier ist ein privates Gespräch. Störung absolut unerwünscht!
Angie fing an, die Kleidungsstücke, die sie sich ausgesucht hatte, langsam und sorgfältig in eine große Tüte zu verpacken. Natürlich raschelte das Ding dabei heftig.
Die Verkäuferin telefonierte munter immer weiter. Ihre andere Kollegin weilte dafür seit fast einer Stunde schon hinter der Tür mit der Aufschrift PRIVADO.
Irgendwann war Angie fertig mit Einpacken und räusperte sich vernehmlich.
Nichts! Nicht einmal ein Achselzucken.
Daraufhin räusperte Angie sich noch drei Mal! Jedes Mal vernehmlicher als das andere.
Nichts! Keinerlei Reaktion weiterhin.
Woraufhin Angie das Etablissement gemessenen Schrittes verließ. Unter der offenen Tür drehte sie sich noch einmal um, immerhin bimmelte die Glocke laut genug, man konnte sie sicher auch bis hinein ins PRIVADO hören. Dazu war sie schließlich da.
Angie wartete ungefähr drei Minuten lang ab.
Nichts!
Die Kulleräugige telefonierte weiter, die PRIVADO- Tür blieb geschlossen.
»Adios!«, rief Angie laut und bereits wieder fröhlich. Aber auch diese letzte Anstrengung war im Grunde genommen nur Zeitverschwendung.
Eine gefährliche Zeitverschwendung noch dazu!
Siedend heiß fiel Angie ein: Allister könnte noch in derGegend herumlungern, vielleicht auf der anderen Straßenseite?
Vorsichtig sah sie sich um und erschrak im selben Moment heftig. Er war nämlich tatsächlich da, vielleicht zwanzig Meter von ihr entfernt.
Er stand direkt neben einem üppig blühenden Strauch von rotem Hibiskus und drehte zum Glück Angie den Rücken zu. Anscheinend faszinierten ihn die prachtvollen Blüten, oder er überlegte sich gerade, wie es wäre, hinter dem Strauch rasch zu pinkeln. Würde man ihn von der Straße her dabei beobachten können?
Angie musste unwillkürlich kichern bei der Idee und machte sich anschließend rasch um die nächste Ecke aus dem Staub.
Gerade im richtigen Moment, Allister drehte sich nämlich gerade um.
Allister hatte den Hibiskus-Strauch tatsächlich eingehend gemustert, und zwar argwöhnisch! Irgendwie hatte er eben, während er noch dastand und die Eingangstür der Edelboutique beobachtete und aus Gründen, die ihm selbst schleierhaft waren, geglaubt, ein raschelndes Geräusch hinter seinem Rücken zu hören. Dazu hatte ihn das unbehagliche Gefühl beschlichen, beobachtet zu werden.
Das Geräusch hatte sich außerdem so angehört, als hielte sich jemand hinter oder in dem Hibiskusstrauch versteckt und raschelte ein bisschen mit den Zweigen herum.
Als ihn jetzt wiederum das Gefühl beschlichen hatte, dass sich erneut hinter seinem Rücken etwas Wichtigestat, hatte er sich hastig in die ursprüngliche Ausgangslage zurückgedreht. Dabei kam er sich langsam vor wie ein Brummkreisel auf Amokrundlauf.
Ihm wurde leicht schwindlig davon, trotzdem glaubte er gerade noch eine wehende blonde Lockenmähne zu erspähen, die gerade um die nächste Ecke verschwand. Oder war es ein Flimmern in der heißen Luft gewesen?
Ja, so musste es wohl sein!
Eine Semi-Fata-Morgana, quasi. Dieses Mal hatte er wenigstens nur eine blonde Mähne zu sehen geglaubt, nicht gleich die vollständige Hexe. Es wurde dennoch höchste Zeit für Maggies Schokokuchen …
Wieder
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