Wilder Engel (German Edition)
Bedarfs wie etwa Rasierklingen für den Lady-Shaver, energiesparende Glühbirnen oder anderen Kleinkram handelt oder um Luxuswaren wie Versace-Kleider, im Prinzip ist es völlig schnurzpiepegal: Man wird sich vorkommen, als müsse man darum betteln, diese Dinge verkauft zu bekommen!
Wenn man außerdem nicht haargenau von Anfang an weiß, was man will, dann wird es ganz schlimm. Man kommt sich vor wie der letzte Idiot, der anderen Menschen, dem Bedienungspersonal in erster Linie, kostbare Lebenszeit und dazu noch sämtliche Nerven raubt.
Auch sollte man keinerlei Fachkenntnisse von Seiten der VerkäuferInnen erwarten, da diese in den seltensten Fällen vorhanden sind.
Sollte es – nur so ein kleines Beispiel — vorkommen, dass ein Kleidungsstück kein Preisschild enthält,weil dieses vielleicht vergessen oder bei einer Anprobe abgerissen und nie ersetzt wurde, dann hänge man das betreffende Teil am besten ganz schnell wieder zurück und vergesse es auf der Stelle. Ansonsten gefährdet man ernsthaft den eigenen Seelenfrieden!
Eine Nachfrage bei der Verkäuferin oder der Person an der Kasse würde nämlich höchstens zu einem Schulterzucken führen. Das gute Stück würde einem aus den Händen gerissen, und anschließend bekäme man erklärt: »Wir können Ihnen das ohnehin nicht verkaufen, es hat ja keinen Preis! Das sehen Sie doch selbst!«
Sollte man in diesem Augenblick dreisterweise nachhaken und die unbequeme Frage stellen: »Können Sie nicht den Chef des Ladens hier anrufen und einfach nachfragen?«, dann wird es ganz schlimm!
»Wo denken Sie hin! Der Chef hält gerade seine Nachmittagssiesta ab. Kommen Sie morgen wieder …«
»Okay. Wann sperren Sie auf – ah, um neun. Gut, dann komme ich um neun vorbei, und Sie legen mir das Teil zurück, ja?«
Empörtes Kopfschütteln und Augenrollen von Seiten des Personals: »Der Chef kommt morgen am Abend mal kurz vorbei, so gegen sechs vielleicht.«
»Ja, soll ich dann vielleicht so um sieben kommen, um sicherzugehen, dass er schon da war?«
Schulterzucken, dann in regelrecht drohendem Tonfall: »Wenn Sie wollen!«
Also tritt man mit hängendem Kopf und vermutlich gruß- weil mittlerweile sprachlos aus dem Laden.
Das sollte jetzt eigentlich das Bedürfnis nach einem neuen Kleidungsstück im Keim erstickt haben.
Falls nicht, geht man vielleicht dummerweise am nächsten Abend wirklich früher als gewöhnlich vom Strand heim zum Duschen und eilt anschließend – es ist jetzt ungefähr zehn Minuten nach sieben! – zurück in besagte Edelboutique.
Man steuert direkt und freundlich lächelnd auf die Verkäuferin von gestern zu, doch die verzieht keine Miene. Schaut sogar eisern und böse glatt durch einen hindurch und direkt bis auf die Straße hinaus. So, als wäre man ein Stück Fensterglas. Bestenfalls. Im schlimmsten Fall fühlt man sich als bloßes Nichts, als niemals geboren.
Man merkt dadurch aber immerhin deutlichst, das Mädel hat einen nie zuvor im Leben gesehen!
Trotzdem versucht man es wieder, schließlich fühlt man sich nach dem Strandtag angenehm erholt, total relaxt und frisch gebräunt und möchte das zitronengelbe Minikleidchen zu gerne heute Abend noch ausführen. Auf gebräunter Haut wirkt die Farbe immerhin gleich doppelt so frisch.
Man holt also tief Luft und fragt dann so freundlich und behutsam wie nur irgend möglich: »Hola! War Ihr Chef denn schon da?«
Die Verkäuferin zieht spöttisch eine Augenbraue in die Höhe: »Sicher! Er kommt immer so gegen Mittag herein, vor seiner Siesta.«
»Oh!« Hier stutzt man jetzt merklich, weil man sich noch gut an die Aussage von gestern erinnern kann.
Aber dann denkt man, dass es einem ja egal sein kann, wann der Chef kam. Hauptsache, er kam! Und rückte den Preis des zitronengelben Hängerchens raus.
»Dann wissen Sie jetzt sicher, wie viel das Minikleid von Versace kostet?«
»Welches?«
»Na, das gelbe mit dem geflochtenen Silbergürtel, das ich gestern probierte und dann kaufen wollte. Aber nicht konnte, weil das Preisschild fehlte. Sie sagten, der Chef würde heute Abend hier vorbeikommen, dann erführen Sie den Preis. Wir vereinbarten, dass ich auch wieder vorbeikomme und das Kleid dann mitnehmen möchte!«
Die Verkäuferin mustert einen eisig und angewidert zugleich von oben bis unten, als ob man Läuse hätte oder Darmbeschwerden oder beides.
»Ich kann mich nicht erinnern!«, sagt sie schließlich, wendet sich ab und will davongehen.
Wenn man ganz bekloppt ist,
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