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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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Kühlerhaube.
    »Das passiert immer mal wieder in der Wüste. Sand gerät ins Getriebe. Kann ich beheben. Kein Grund zur Sorge.«
    Jack sah sich um. So weit das Auge reichte, nichts als Sand und Kakteen und ein paar Felsblöcke. »Was war das eben für ein Geräusch?«, fragte er. Ein eisiges Gefühl kroch ihm den Rücken hoch.
    Zeb lauschte – aus dem Felsgestein kam ein Jaulen. »Kojoten«, sagte er. »Ein Wurf Junge, wie sich’s anhört.«
    »Sind die gefährlich?«
    »Die Alten können es werden, wenn sie meinen, ihre Jungen sind bedroht. Halten Sie sich also von den Felsen dort fern.«
    Während Jack gedankenverloren in die Ferne starrte, beugte sich Zeb wieder unter die Motorhaube, zog aus seiner Hemdtasche ein winziges Radio und stellte den Sportsender ein. Die Dodgers spielten heute in Chavez Ravine. Aber zum ersten Mal gelang es ihm nicht, sich auf das Baseball-Match zu konzentrieren. Seine Gedanken kreisten um Vanessa. Er begehrte sie so sehr, dass sie ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.
Nicht einmal nachts. Dabei erwiderte sie seine Gefühle keineswegs. Nein, sie verhielt sich ihm gegenüber äußerst korrekt. Freundlich, das ja, aber niemals kokett. Höflich-unverbindlich. Aber Zeb wollte ja gar keine Beziehung eingehen. Mit keiner Frau.
    Und vor allem nicht mit Vanessa Nichols. Schlagartig wurde ihm klar, dass er wieder einmal an einem Punkt in seinem Leben angekommen war, an dem er eine Grundsatzentscheidung treffen musste. Er griff nach einem Schraubenschlüssel und attackierte verbissen die Benzinpumpe.
    Jack stand abseits und beobachtete, wie Zeb konzentriert drauflosarbeitete. Als er, vom Wüstenwind umtost, den Schrei eines Falken vernahm, musste er erneut gegen seine Verzweiflung ankämpfen, die ihn einmal mehr zu übermannen drohte.
    Als sein Vorgesetzter und die Kollegen ihm kondoliert, als Nachbarn zum Ausdruck gebracht hatten, wie sehr die Nachricht von Ninas Tod sie erschütterte – als seine Schwester das Gesprächsthema schlechthin gewesen war, hatte Jack dies alles mit Fassung hinzunehmen vermocht.
    Abby Tyler gegenüber jedoch nicht. Sie hatte einen Blick auf Ninas Foto geworfen und gesagt: »Sie ist entzückend«, und prompt war die Wunde in Jacks Herzen wieder aufgeplatzt.
    »Es lässt mir keine Ruhe, Jack«, hatte Nina bei einem ihrer letzten gemeinsamen Abendessen angemerkt. Sie waren bei Mario’s in Santa Monica gewesen, es hatte Linguini in Muschelsauce gegeben, Ninas Lieblingsessen. Drei Jahre fahndete sie bereits nach ihrer leiblichen Mutter, hatte Berge von Unterlagen zusammengetragen. Alles Schicksale anderer Menschen.
    Jacks Eltern hatten ihm und seiner Schwester etwas Geld hinterlassen, und da Nina zudem als Leiterin einer Werbeagentur gut verdiente, hatte sie es sich leisten können, mehr
als nur einen Privatermittler zu verpflichten. Wenn sich die Geschwister trafen, berichtete sie dem Bruder vom neuesten Stand der Recherchen. »Derart viele Namen, Jack, so viele Menschen, die von einander getrennt worden sind. Ich bin auf Websites gestoßen, auf denen Adoptivkinder und leibliche Mütter Nachrichten hinterlassen können. Kinder, die ihre Mütter suchen, und umgekehrt.«
    Ein Sturm hatte den Pazifischen Ozean aufgepeitscht. Nina hatte ihr Essen nicht angerührt. »Es greift mir ans Herz«, hatte sie gesagt, »wenn ich an all den Kummer, an die Qualen und das Elend denke. Wie mag es um meine eigene Mutter bestellt sein, Jack? Wurde sie als blutjunges Mädchen gezwungen, sich von ihrem Baby zu trennen? Hatte sie sich kurz abgewandt, und als sie wieder in den Kinderwagen schaute, war da kein Baby mehr drin? Ich muss es wissen. Ich muss sie finden.«
    »Das wirst du bestimmt, Schwesterchen«, hatte er gesagt, denn obwohl inzwischen feststand, dass Nina nicht wirklich seine Schwester war, war sie es dennoch, und daran würde sich auch nichts ändern. Jack hatte sie nach Kräften bei ihrer Suche unterstützt, hatte in seiner Freizeit die Datenbanken der Polizei durchforstet und auch tatsächlich das eine oder andere in Erfahrung gebracht. Aber nicht genug.
Ich hätte mehr tun müssen.
    Der Wind nahm an Stärke zu. Jack trieb es die Tränen in die Augen. Er wischte sie weg. »Alles okay mit Ihnen?«, erkundigte sich Zeb.
    »Sand«, sagte Jack.
    »So ist das nun mal. Wenn es stürmisch wird, muss man die Augen schützen.«
    Jack überlegte, ob er nicht gleich hier seine Zielscheibe in Stellung bringen sollte; vielleicht würde ihn das ablenken. Aber dann sagte er sich, nein, bleib

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