Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey

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unbeeinflusst von ihrer völlig starrsinnigen Familie. Weit weg von Davids Mitgefühl, das sie zu ersticken drohte.
    Sie beschloss, erst einmal ein paar Bahnen zu schwimmen, um den Kopf freizubekommen. Als sie ihren Badeanzug aus der Dusche holte, wo sie ihn zum Trocknen aufgehängt hatte,
stach ihr wieder der Duft weißer Narzissen in die Nase. Das war doch nicht möglich! Nirgendwo in ihrem Zimmer standen Blumen.
    Und doch hing der Duft im Raum, schwer und intensiv, Übelkeit erregend. Hektisch durchstöberte sie die vom Resort bereitgestellten Körperöle und Lotionen, goss Duschgels und flüssige Seife in den Abfluss, spülte die Flaschen aus. Sie nahm sich Schubladen und Regale vor – hatte ein früherer Gast einen jetzt vor sich hingammelnden Strauß weißer Blumen zurückgelassen, die jetzt braun wurden und verrotteten und ihren süßlichen Verwesungsgeruch verströmten?
    Sie wurde nicht fündig. Und erkannte schließlich, dass dieser Duft reine Einbildung war. Wieso nur? Was hatte es mit der weißen Narzisse auf sich?
    Zayde
Abraham, damals vor vielen Jahren. Ophelia auf seinem Schoß. Was war geschehen?
    »Ophelia ist von klein auf eine Kämpfernatur«, hatte Mrs.Kaplan stolz zu David gesagt, als sie anfingen, sich privat zu treffen. »Dieses ständige Wetteifern. Bereits im Alter von sechs Jahren. Wollte in allem die Beste sein.«
    Als Ophelia jetzt gegen den Duft ankämpfte, der sie krank machte, wurde sie sich darüber klar, dass ihre Aggressivität irgendwie von diesem Moment auf dem Schoß ihres Großvaters herrührte.
    Sie konnte kaum noch atmen. Sie musste raus an die frische Luft und nachdenken. Sie wollte David nicht verlieren. Er war der einzige Mann, bei dem sie schwach und verletzlich sein konnte. Der einzige, der die heldenhafte Amazone durchschaute und das verirrte kleine Mädchen sah, das sich darunter verbarg. David, der vermutlich die Wände hochgehen würde, wenn er erfuhr, dass sie schwanger war.
    Sie griff sich ihren Badeanzug und ein paar Handtücher, setzte
sich die Sonnenbrille auf, atmete, wie um Mut zu schöpfen, tief durch und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich ihr Problem irgendwie lösen würde. Sie öffnete die Tür – und sah im Flur David stehen, mit einem Koffer in der Hand.

Kapitel 33
    Sissy hatte keine Lust, mit Abby Tyler zu Abend zu essen. Sie wollte so schnell wie möglich nach Chicago fliegen, Eds Zimmer im Palmer House stürmen und diese Linda Delgado, die es gewagt hatte, ihr den Ehemann wegzunehmen, zur Rede zu stellen.
    Die Telefonnummer von Linda Delgado hatte sie ausfindig gemacht. Sie tauchte mehrmals auf Eds heimlichen Telefonrechnungen auf und stimmte dem Datum nach mit seinem Aufenthalt im Palmer House überein. Demnach rief Ed, wenn er nach Chicago fuhr, diese Linda jeweils abends zuvor an.
    Das Einzige, was Sissy bisher mit dieser neuen Information angefangen hatte, war, dass sie mit Eds zusätzlicher Kreditkarte ins Village gezogen war und nach Herzenslust eingekauft hatte, auch ausgefallene Dinge, die sie früher keines Blickes gewürdigt hätte. Zurückgekehrt war sie mit Godiva-Schokolade, Hermès-Kopftüchern, Parfum und Schmuck, hatte sich nach einem letzten und befreienden Tränenausbruch die Augen getrocknet und geschworen, die ihr angetane Schmach durchzustehen und, sobald sie wieder zu Hause war, ihr Leben in die Hand zu nehmen, allem zu trotzen.
    Eins stand fest: Die Kinder bekam Ed nicht. Mochte sie selbst von zwei Müttern zurückgewiesen worden sein, so wie sie würde Sissy keinesfalls werden. Adrienne und den Zwillingen würde Mutterliebe zuteil werden. Zunächst aber stand
das Abendessen mit Abby Tyler an. Danach wollte Sissy daran gehen, ihr neues Leben zu planen.
    Das heißt,
nachdem
sie einen der phantasievollen Mitspieler des Resorts ausprobiert hatte. Oder auch zwei.

    Im Bericht des Privatermittlers stand:
Weibliches Baby, geboren am 17 .Mai 1972 in Odessa, Texas, verkauft an Familie Johnson in Rockford, Illinois. Erhielt den Namen Sissy. 1990 Eheschließung mit Ed Whitboro aus Rockford.
    Auf dem Tisch in Abbys privatem Speisezimmer standen kalte Platten bereit – Garnelen auf mit Minze gewürztem Papayasalat mit separater Thai-Erdnusssauce; kalte Kartoffelsuppe; Eier in Tomatenaspik –, was die Anwesenheit von Personal überflüssig machte. Zur vereinbarten Zeit brachte Vanessa den Gast in den Bungalow, machte Abby mit Sissy bekannt und ließ die beiden dann allein.
    Abby klopfte das Herz bis zum Halse, als sie Sissys