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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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fortgehe, besteht die Gefahr, mich schnellstens wieder auf dreihundert Pfund hochzufuttern.«
    Coco war sprachlos. Ihre Brust krampfte sich zusammen, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ihr Herz flog ihm zu, ihr Mitgefühl hüllte ihn ein, und allmählich begriff sie, dass sie sich nicht nur zu Kenny hingezogen fühlte, sondern drauf und dran war, sich in ihn zu verlieben.
    »Mr.Superhirn!«
    Beide sprangen auf. Ein Schatten schob sich vor die Sonne. Vor ihnen standen zwei braun gebrannte junge Frauen um die zwanzig in Bikinitops und Shorts. »Wir haben Sie gestern Abend auf der Bühne erlebt!«, strahlten sie ihn an, ohne von Coco Notiz zu nehmen. »Sie waren einmalig! Wie machen
Sie das bloß! Wir dürfen Sie doch zu einem Drink einladen, ja?«
    Schon zogen sie Stühle heran und vereinnahmten Kenny derart, dass Coco schon meinte, sie würden ihm gleich an die Wäsche gehen.
    »Meine Damen … « Er war verlegen und peinlich berührt.
    Die Größere drängte ihren vollen Busen an ihn. »Wie süß Sie sind!«, hauchte sie.
    Coco wusste Bescheid. Genauso verhielten sich die Groupies, die in Polizeikneipen auf der Suche nach einer schnellen Nummer herumlungerten. Nur weg, sagte sie sich, schob ihren Stuhl zurück und murmelte: »Danke für das Essen«, noch ehe Kenny sie zurückhalten konnte. Als sie sich aus einiger Entfernung noch einmal umdrehte, sah sie, wie er eine Serviette signierte und eines der Mädchen ihm etwas ins Ohr flüsterte.

Kapitel 31
    Jack hatte noch nie solchen Schmerz erlebt.
    Nicht einmal bei Ninas Begräbnis. Seit dem Morgen ihres Todes hatte er hart daran gearbeitet, seine Gefühle zu unterdrücken, und wenn sie sich auch des Nachts in quälenden Träumen Bahn brachen, behielt er tagsüber die Kontrolle über sich.
    Bis Abby Tyler ihm begegnete.
Seine Arme um die ihren gelegt, als er ihr half, die Sehne zu spannen.
Sie berührte ihn, wie es noch keine Frau getan hatte. Sie strahlte Stärke aus und eine eigenartige Verwundbarkeit. Aber er spürte auch eine tiefe Einfühlungsfähigkeit, als könne man ihr alles anvertrauen, ohne dass sie einen verurteilte. Man konnte den Kopf in ihren Schoß legen und den ganzen Schmerz herausschreien, und dann würde sie ihn annehmen und ihm Frieden schenken.
    Er wünschte, er könnte das tun. Seine Schwester war brutal vergewaltigt worden, ermordet und wie ein Junkie hergerichtet. Das konnte er nicht ertragen – jetzt nicht, vielleicht nie im Leben. Der einzige Weg, das zu überstehen, war, die Gefühle so tief wie möglich zu vergraben und nur an der Oberfläche zu leben. Aber da war etwas an Abby, das all seine Emotionen aufrührte. Er musste raus aus seinem Zimmer, weg von dem Resort. Er musste die Kontrolle wiedererlangen - durch das Bogenschießen.
    Zeb kam gerade mit mehreren Gästen von einer Ausfahrt in
die Wüste zurück. Als Jack fragte, ob ein Wagen zur Verfügung stünde, sah Zeb auf die Uhr und meinte: »Wir sehen es nicht gern, wenn Gäste allein hinausfahren. Es ist zu gefährlich. Ich nehme Sie aber gern mit, Sir. Wohin soll ich Sie fahren?«
    »So weit weg, wie es irgend geht«, sagte Jack und hob seine Ausrüstung auf den Jeep.
    Während er den Arm auf das heruntergelassene Fenster legte, schloss er die Augen und spürte den warmen, trockenen Wind auf seinem Gesicht. Seit er Abbys Fingerabdrücke sichergestellt hatte, wollte Jack das Resort verlassen. Aber alle Flüge an dem Tag waren schon ausgebucht, niemand fuhr mit dem Auto ab, und Privatflugzeuge konnte man auch nicht bekommen. Er könnte eine Limousine aus Palm Springs anfordern, hieß es an der Rezeption. Dann kam Jack der Gedanke, Abby Tylers Fingerabdrücke könnten möglicherweise überhaupt nicht erkennungsdienstlich erfasst sein. Also hatte er beim Katasteramt den Namen des vorherigen Eigentümers von The Grove angefragt. Sie hatte behauptet, die Liegenschaft von ihrem verstorbenen Mann geerbt zu haben, sodass der frühere Grundbucheintrag Jack den Namen des Mannes liefern würde, mit dem sie verheiratet war. Danach müsste er nur noch im Standesamt anrufen, und dann hätte er den Zugang zu Abby Tylers sorgfältig verborgener Vergangenheit gefunden.
    Aber bis dahin quälte ihn der Schmerz um Nina unablässig, und das Einzige, womit er ihn beherrschen konnte, war, bis zur Erschöpfung mit seinem Bogen Zielübungen zu machen. Als sie mit hohem Tempo durch den Wüstensand pflügten, war meilenweit nichts weiter zu sehen als Dünen, Kakteen, Yuccabäume und hin und wieder eine

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