Wilder Oleander
am Ball, denk über alles nach.
»Sagt Ihnen Ihr Job in The Grove zu?«
Zeb richtete sich auf und wischte sich die Stirn. »Abby Tyler ist der beste Boss, den ich mir vorstellen kann. Sie behandelt ihre Angestellten genauso gut wie ihre Gäste. Wie eine Mutter verhält sie sich. Dabei ist sie doch gar nicht so alt, aber so ist sie nun mal. Besorgt um alles, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wenn ein Mitarbeiter krank ist, schickt sie Blumen.«
Die gewisse Nuance, die in Zebs Stimme mitschwang, machte Jack hellhörig. Hatte Zeb sich mit Abby eingelassen? Hatte sie überhaupt einen Liebhaber? Nutzte sie den Schlafzimmer-Service des Resorts für ihre eigenen Bedürfnisse?
Verflucht, sagte er sich. Denk nicht an so was. Stets hatte er es verstanden, Gefühle und Beruf strikt voneinander getrennt zu halten. Abby Tyler indes verwischte die Grenzen, machte es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er war hier, um einen Mörder ausfindig zu machen. Mit Liebe hatte das nichts zu schaffen.
»Als ich sie kennen lernte«, sagte Zeb, »hat mich ihr Akzent verzaubert. Wenn man schon meinen Akzent für exotisch hält, ist der von Abby für meine kenianischen Ohren geradezu irre.«
Jack war verblüfft. Von einem Akzent hatte er nichts bemerkt. Oder doch? Jetzt, wo er darüber nachdachte, hatte er am Montagabend, als er in ihrem Bungalow Kaffee getrunken hatte, tatsächlich einen ganz leichten Akzent wahrgenommen. Auch heute Morgen, als sie gemeinsam die Sehne des Bogens losschnellen ließen und Abby lachend an ihn getaumelt war. Bemühte sie sich, diesen Akzent zu unterdrücken, der nur dann anklang, wenn sie müde war oder nicht aufpasste? Konnte das der erhoffte Durchbruch sein?
»Woher stammt sie denn?«, fragte er betont lässig.
»Keine Ahnung. Ich kenn mich zwar nicht aus, tippe aber auf
einen Staat im Süden.« Zeb ließ die Kühlerhaube zufallen. »Fertig! Wir können weiter.«
»Hören Sie, Zeb, ich hab’s mir anders überlegt. Bei dem Wind hat es sowieso wenig Sinn mit dem Bogenschießen. Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, würd ich gern ins Resort zurückfahren.« Dort konnte er Abby in eine Unterhaltung verwickeln und diesmal ganz genau auf ihren Akzent achten. Obwohl er sich vorgenommen hatte, ihr aus dem Weg zu gehen, um seine geschundene Seele zu verbergen. Aber Nina zuliebe würde er eine erneute Begegnung mit Abby auf sich nehmen.
Zeb war es nur recht, nach The Grove zurückzukehren. Er hatte eine Entscheidung getroffen und wollte sie umgehend in die Tat umsetzen. Es war an der Zeit, weiterzuziehen. Und deshalb wollte er Abby morgen seine Kündigung präsentieren.
Kapitel 32
Ophelia wusste ganz genau, wann es passiert war.
Als namhafter Psychiater mit großer Praxis hielt David zusätzlich auch Vorlesungen an der Universität wie im Krankenhaus ab und wurde häufig genug als Sachverständiger in Mordprozessen hinzugezogen. Vor sechs Wochen hatte er mit seinem Gutachten in einem Prozess eine entscheidende Wende herbeigeführt, als die Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit plädierte und man gespannt darauf wartete, was Dr.David Messer dazu meinte.
Ophelia saß hinten im vollbesetzten Gerichtssaal und beobachtete ihren gut aussehenden Verlobten, der ganz gelassen zunächst auf die Fragen des Staatsanwalts und dann auf die der Verteidigung einging. Während seine volle Stimme sich über die gebannt lauschenden Zuhörer erhob, beobachtete sie, wie die weiblichen Geschworenen an seinen Lippen hingen, begeistert, wenn nicht gar hingerissen. Was Ophelia erregt hatte. David, so attraktiv, so beherrscht, der Mann, der in diesem Augenblick das Sagen hatte, in seinem Nadelstreifen-Dreiteiler, das schwarze Haar tadellos in Form. Ihn zu beobachten war aufreizend, und zu wissen, dass alle anderen Frauen im Gerichtssaal ihn begehrten, erhöhte das prickelnde Gefühl.
Als die Berater beider Seiten David in die Zange nahmen, wurde es leidenschaftlich, die Stimmung gespannt. »Dr.Messer, können Sie bestätigen, dass der Angeklagte Stimmen hört?« »Ja.«
»Stimmen, die er wirklich zu hören meint?«
»Ja.«
»Und können Sie bestätigen, dass diese Stimmen ihm
befehlen
, jemanden umzubringen?«
»Ja. Aber er braucht diesen Befehlen nicht Folge zu leisten.«
»Irrelevant! Antrag auf Streichung!«
»Euer Ehren, dürfen wir näher treten?«
Erregter Wortwechsel am Richtertisch, aller Augen auf David gerichtet, der den Eklat ausgelöst hat – die des Vorsitzenden, die der Anwälte, der Geschworenen, des
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