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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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Augen als die eines Hippies und Herumtreibers vor dreiunddreißig Jahren erkannte. Verfügte Sissy nicht außerdem über Jerichos Lächeln, über das Lachen und die Grübchen des Großvaters, den Abby so geliebt, dem sie aber wegen eines Skandals so früh schon das Herz gebrochen hatte?
    Sie schenkte eisgekühlten Weißwein ein und bat Sissy, Platz zu nehmen. Porzellan und Kristall funkelten; das Blumengesteck in der Mitte verbreitete einen zarten Duft. »Ms. Nichols erwähnte etwas von familiären Schwierigkeiten«, sagte sie, als sie ebenfalls Platz nahm und ihre Serviette auseinander faltete. »Hoffentlich nichts Ernstes.«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich glaube, mein Mann betrügt mich.« Es war nicht Sissys Art, persönliche Probleme vor Fremden auszubreiten, aber Abby Tyler kam ihr irgendwie vor wie ein guter Therapeut, aufmerksam zuhörend, als ob sie Anteil nähme, bereit wäre, einem etwas von der Last, die
einen bedrückte, abzunehmen. »Das zu erfahren ist für jede Frau erschütternd, nur dass mich dieser Fluch gewissermaßen zum dritten Mal trifft.«
    »Inwiefern?«
    »Ich wurde als Baby adoptiert.«
    Abbys Gabel verharrte auf halber Höhe zum Mund. »Adoptiert?«
    Sissy suchte sich eine große Garnele aus, stippte sie in die Erdnusssauce. »Ich erfuhr es schon sehr früh, die Einzelheiten jedoch erst mit achtzehn. Meine Mutter, das heißt meine Adoptivmutter, war eine kaltherzige Frau. Sie konnte nichts dafür. Weil sie keine eigenen Kinder bekommen konnte, baute sie darauf, dass ein adoptiertes die Mutterliebe in ihr wecken würde. Was nicht der Fall war. Zeit meines Lebens habe ich mich von ihr abgelehnt gefühlt. Genauso wie von meiner leiblichen Mutter.«
    »Das können Sie doch gar nicht wissen«, gab Abby, ihre zitternden Hände auf dem Schoß verbergend, vorsichtig zu bedenken. »Es gibt auch illegale Adoptionen, das heißt, es kommt vor, dass Babys einfach gestohlen werden. Sind Sie sicher, dass bei Ihrer Adoption alles mit rechten Dingen zuging?«
    »Das war tatsächlich nicht der Fall. Meiner Mutter zufolge wurde ich nicht auf gesetzlichem Wege adoptiert.«
    Abby saß stumm und versteinert da.
    »Wie ich von meiner Mutter erfuhr, wurde ich von einem Mann und einer Frau abgeliefert. Da der Mann auf einmal noch mehr Geld verlangte, schöpfte mein Vater Verdacht. Meine Eltern hatten angenommen, die Adoption sei legal. Aber der Mann wollte ihnen das Baby erst gegen weitere fünftausend Dollar übergeben. Also ging mein Vater auf die Bank und besorgte sich das Geld in bar. Dann versuchte er, mehr Informationen aus dem Pärchen herauszubekommen
– wo ich geboren wurde, warum meine leibliche Mutter sich entschloss, mich freizugeben –, aber die beiden schwiegen beharrlich. Und dann tauchte eine Woche später die Frau bei uns auf und sagte, für fünfhundert Dollar wäre sie bereit, meinen Eltern die gewünschten Details zu liefern.«
    Sissy nippte an ihrem Weinglas und Abby rang um Fassung. Sag mir, beschwor sie innerlich ihren Gast, sag mir, dass du meine Tochter bist.
    Sissy nahm den Faden wieder auf. »Die Frau gab meinem Vater eine Adresse in Odessa. Er flog hin, um meine leibliche Mutter ausfindig zu machen. Bei der Adresse handelte es sich um ein Heim für ledige Mütter, das meine leibliche Mutter aber bereits wieder verlassen hatte. Bis er deren Anschrift bekam, floss weiteres Geld. Es handelte sich um eine Sechzehnjährige, die von ihren Eltern gezwungen worden war, ihr Baby freizugeben.«
    Abbys Erwartungen begannen zu schwinden – aber noch beherrschte sie sich. Wenn die Adoption über die Kanäle des Schwarzmarktes erfolgt war, wie konnten dann die Eltern glauben, was man ihnen weisgemacht hatte?
    »Mein Vater nannte ihnen weder seinen Namen noch seine Adresse. Er sagte ihnen, dass er was dagegen hätte, wenn das junge Mädchen es sich anders überlegte und dann ihr Baby zurückwollte. Sie versicherte ihm, dass sie das nicht tun würde.«
    »Und das war’s dann?« Abby konnte es nicht fassen. »Ich meine, wie können Sie sicher sein …?«
    »Als ich achtzehn wurde, erzählte mir meine Mutter die ganze Geschichte, nannte mir auch den Namen meiner leiblichen Mutter. Sie sagte, sie würde es mir nicht verübeln, wenn ich sie kennen lernen wollte. Also hab ich mich mit ihr getroffen.«
     
    Abby starrte sie an.
    »In Dallas. Als sie die Tür öffnete und mich erblickte, dachte ich, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. Sie bat mich herein, aber schön war das Wiedersehen nicht. Sie war

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