Wilder Oleander
Karrieresprung davon abhing. Aber ich war derart außer mir vor Angst, dass er mir glaubte und die Reise absagte.«
Die Türen der Kapelle öffneten sich, Musik drang heraus.
»Das Flugzeug stürzte nicht ab«, sagte Coco hastig und Mendelssohns
Hochzeitsmarsch
übertönend, »es kam in London an. Mein Verlobter wurde nicht befördert. Wir trennten uns. Nicht, weil er nicht befördert wurde, sondern weil er es nicht aushielt, mit jemandem zusammenzuleben, der ständig in die Zukunft schaute und das Leben nach einem Klumpen Kristall ausrichtete. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ich brauchte lange, über ihn hinwegzukommen, und danach schwor ich mir: keine engen Beziehungen mehr.«
»Du willst also für den Rest deines Lebens allein bleiben?« Hochzeitsgäste mit Tüten voll Konfetti kamen nach und nach aus der Kapelle.
Coco schüttelte den Kopf. »Ich werde den Kristall für mich entscheiden lassen.«
»Dieser Kristall ist eine Krücke, Coco, ein Ersatz. Wie es für mich der Zucker war.«
»Nein.« Sie trat von der Bar weg. Applaus brandete auf, als das Brautpaar in der Lobby einzog. »Kenny, ich empfinde viel für dich, mir wird ganz heiß, wenn du mich berührst, aber du bist nicht derjenige welcher!«
Er sprang auf. »Vergiss doch deinen Kristall endlich einmal!«
»Das kann ich nicht! Dem Mann, den ich suche, ist bestimmt, für immer bei mir zu bleiben. Zwischen dir und mir wird es eines Tages aus sein. Ich kann aber keine weiteren Trennungen mehr aushalten.«
»Lieber Himmel, Coco, alles geht mal zu Ende – Beziehungen, das Leben, selbst die Zeit. Deswegen muss man doch nicht allem entsagen!«
Sie wollte sich abwenden, aber Kenny hielt sie zurück, und gleich darauf waren sie von Hochzeitsgästen umringt, die dem Brautpaar Glück wünschten und mit Konfetti um sich warfen.
»Coco, bitte, lass uns in aller Ruhe darüber sprechen.«
Sie streckte die Hand nach ihm aus, wurde aber von der übermütigen Gesellschaft mitgerissen. Kenny eilte ihr nach, ruderte mit den Armen in Richtung der abgedrängten Coco, die verwundert war und gleichzeitig lachen musste.
Als sich die Menge verlief, kam Coco frei. Mit dem letzten Hochzeitsgast, der an ihr vorbeihastete, schloss Kenny zu ihr auf. »Was für ein glückliches Paar«, hob er an, als ein Mann Coco an der Schulter anrempelte und weiterrannte. Coco wandte den Kopf nach ihm um und schrak zusammen.
»Was ist denn?«, fragte Kenny.
»Dieser Mann da … « Sie sah Kenny mit weit aufgerissenen Augen an. »Dieser Mann wird jemanden umbringen!«
»Was?!« Kenny musterte die Menge, die sich größtenteils aufgelöst hatte. »Welcher Mann?«
»Ich weiß nicht. Es ging so schnell. Aber ich hab’s
gespürt
.
Ich bin mir ganz sicher. Er hat vor, jemanden umzubringen. Kenny, wir müssen das melden!«
Fünf Minuten später waren sie im Büro der Sicherheit. Coco hielt sich an einem Becher mit Whiskey fest, ihre Zähne klapperten vor Angst. »Noch nie habe ich etwas so … Entsetzliches gespürt.«
Abby war hinzugekommen; auch der Leiter des Sicherheitsdiensts lauschte verwundert ihrem Bericht. »Sind Sie sich sicher?«, fragte Elias Salazar. »Haben Sie das gesprächsweise mitbekommen oder … «
»Ich habe es
gespürt
. Gesprochen wurde nicht.«
»Miss McCarthy ist Hellseherin«, sagte Abby. »Sie ist für die Polizei tätig.« Ihre sonst zartrosa Wangen waren vor Angst leichenblass geworden. Kein Gedanke daran, irgendjemanden von dem Zeitungsartikel mit dem Vermerk »Du bist die Nächste« zu erzählen. War Coco mit dem Mann zusammengeprallt, der den Umschlag unter ihrer Tür durchgeschoben hatte?
»Es war so
kalt
«, sagte Coco. Hinter ihr stand Kenny, die Hände auf ihre Schultern gelegt. »Es kam mir vor, als würde ich in dem Albtraum eines anderen Menschen aufwachen.«
Salazar setzte sich und sah sie an, fragte dann sehr ernst: »Sind Sie sicher, dass er Mordabsichten hegte? Vielleicht war er nur wütend und
hätte am liebsten
jemanden umgebracht?«
Sie schüttelte den Kopf und führte den Becher mit beiden Händen an die Lippen. Wärmend rann ihr der Brandy durch die Kehle. »Keine Wut, Mr.Salazar, da war nichts Emotionales. Berechnend. Wie das Hirn eines professionellen Killers.«
»Haben Sie eine Vermutung, wer das Ziel sein könnte?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. Ein Zittern befiel sie.
»Die kleinste Kleinigkeit könnte hilfreich sein«, beharrte Salazar. »Haben Sie einen Hinweis erhalten, wie er den Mord auszuführen gedenkt?«
»Mit einem
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