Wilder Oleander
Taktiken ihrer Patienten zu sein, besaß jahrelange Erfahrung im Umgang mit ausgesprochen schüchternen wie äußerst aggressiven Menschen. Michael Fallon jedoch ließ sich nicht einordnen. Sie merkte, wie die Frau in ihr von der professionellen Therapeutin abrückte, die Beine so übereinander schlug, dass der Rock übers Knie hochrutschte und Fallon Stielaugen bekam. Erwartungsvoll blickte sie ihn an. Dass er allem Anschein nach unberechenbar war, törnte sie an.
»Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben«, sagte er schließlich und erhob sich. »Ich wollte ja nur mal vorfühlen, respektiere aber durchaus, dass Sie die Privatsphäre Ihrer Patienten schützen müssen. Übrigens ein schönes Bild, das da. Ist es echt?«
»Ja.«
»Muss ein Vermögen gekostet haben. Die Geschäfte laufen gut, wie?« Er hob die Hand. »Nicht, dass Sie Geschäfte machen. Sie sind Ärztin, helfen den Menschen. Ich dagegen«, er legte die flache Hand auf die Brust, »ich bin Geschäftsmann. Und die Geschäfte laufen prima, wie ich mit einigem Stolz anmerken darf. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich vor zu expandieren. Einen neuen Markt zu erschließen, wie’s so schön heißt.«
Sie begleitete ihn zur Tür. Dass er groß war und ein teures Parfum benutzte, gefiel ihr ebenso wie sein spöttisches Lachen über sich selbst. »Welchen Markt wollen Sie denn erschließen, Mr.Fallon?« Gegen ihren Willen enttäuscht, dass das Gespräch bereits zu Ende sein sollte.
»Den Bereich Teppichpflege. Nein, im Ernst. Ich zeig’s Ihnen.« Er öffnete die Tür zum vorderen Praxisraum und nickte einem bulligen Kerl zu, der daraufhin eintrat und die Tür hinter sich schloss. »Tony«, sagte Fallon, »gib mir mal was
von diesem Teppichreiniger. Gut möglich, dass Frau Doktor hier an einer Demonstration interessiert ist und dann, wer weiß, in meine neue Firma investiert.«
Der Mann griff in seinen Mantel und zog eine kleine Flasche mit einer braunen Flüssigkeit heraus. »Das hier«, sagte Michael und schraubte den Verschluss ab, »ist das stärkste und wirkungsvollste Reinigungsmittel für Teppiche überhaupt. Macht jeder Verunreinigung den Garaus. Sehen Sie diesen Fleck da?«
Sie starrte zu Boden, runzelte die Stirn. Sah keinen Fleck. Der Teppich war ganz neu.
»Jetzt passen Sie mal auf.« Er verteilte ein paar Tropfen auf dem Boden.
Rauch und ein ätzender Geruch stiegen auf. Dr.Friedman wich zurück und blickte entsetzt auf ein schwarzes Loch, das sich in die Wolle fraß.
»Verdammt nochmal!«, brüllte Mike Fallon den bulligen Typ an. »Du hast das Konzentrat mitgebracht! Jetzt ist der Teppich ruiniert.«
»Schon gut«, meinte die Therapeutin und versuchte, mit fächelnden Bewegungen den beißenden Geruch zu vertreiben.
»Tut mir entsetzlich Leid, Doc. Dieses Zeug da muss vor Gebrauch verdünnt werden.« Er schwenkte die Flasche, was Dr.Friedman veranlasste, einen weiteren Schritt zurückzuweichen. »Die Grundlage dieser Lösung ist Säure, sie frisst sich durch alles hindurch, auch durch die Haut. Man muss unbedingt darauf achten, nicht direkt in Kontakt mit ihr zu kommen, sonst ist man ein Leben lang entstellt. Ich werde Ihnen einen neuen Teppich besorgen«, sagte er und lächelte entwaffnend.
Wie versteinert schaute Rachel Friedman abwechselnd Mike Fallon an, die Flasche mit der Säure und den Bullen, der sich an der Tür aufgebaut hatte.
»Was für einen schrecklichen Eindruck müssen Sie von mir bekommen haben«, meinte Fallon Kopf schüttelnd, während er die Flasche wieder zuschraubte und dem Bullen zurückgab. »Da komm ich her, um mich über meine Tochter zu erkundigen, und das Ende vom Lied ist, dass ich Ihnen Ihren Teppich verhunze. Erlauben Sie mir, dass ich ihn ersetze.«
Sein Blick ruhte weiterhin auf ihr, aber sein Lächeln, das er beibehielt, jagte ihr jetzt einen fröstelnden Schauer ein.
Sie wich noch weiter zurück. Unvermittelt von Angst ergriffen, sagte sie hastig: »Schon gut. Machen Sie sich um den Teppich keine Sorgen.«
»Sorgen, die hab ich im Augenblick zur Genüge. Da ist die Hochzeit von Francesca und was noch alles.«
»Mr.Fallon, wenn ich es recht überlege, halte ich es für durchaus vertretbar, Ihnen Einblick in die Akte Ihrer Tochter zu gewähren … «, sagte sie, ihre Feigheit verfluchend und dass sie die Tochter eines Gangsters als Patientin angenommen hatte. Gleich morgen früh würde sie Francesca anrufen und ihr nahe legen, sich einen anderen Therapeuten zu suchen.
Mit einem
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