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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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gekommen war, aber Schmerz und Wut hatten ihn derart lange begleitet, dass er sie nicht einfach abzuschütteln vermochte. Auch nachdem er nun den Brief an Nina begonnen hatte, blieb noch immer etwas, das nicht völlig zu tilgen war. Irgendwann im Laufe der Zeit war sein Blut zu Wut geworden und sein Atem zu Gier nach Rache. Er würde also heimfahren, sich mit Ninas Tod abfinden und darüber nachdenken, was er als Nächstes tun wollte. Vielleicht seine Polizeimarke und den Revolver abgeben, das Weingut Crystal Creek übernehmen, Abby einladen, ihn zu besuchen und bei ihm zu bleiben …
    Es gab so vieles, was er mit ihr teilen wollte, seine Vergangenheit,
seine Hobbys, und von ihr wollte er alles Mögliche erfahren, wie es nach der Geburt ihres Kindes im Gefängnis weitergegangen war, wie sie ihre Entlassung durchgesetzt hatte, wie man sich fühlte, wenn solch ein Albtraum zu Ende war.
    Was für eine Frau! Sie hatte seinem Traum von einem eigenen Weinberg neue Impulse gegeben. Sobald er in L. A. zurück war, wollte er in Erfahrung bringen, ob Crystal Creek noch immer zum Verkauf stand. Wenn nicht, würde er ein anderes Weingut ausfindig machen oder ein ganz neues hochziehen. Ein seltsames, aber schönes Gefühl, wieder eine Perspektive zu haben und etwas, was das Leben lebenswert machte.
    Er polierte den Griff des Bogens – die Fingerabdrücke brauchte er nicht mehr. Draußen heulte der Wind, um diese morgendliche Stunde eigentlich ungewöhnlich. Ein anderes Geräusch war zu hören: sein Faxgerät. Es war mit einem Summton angesprungen und spuckte jetzt eine getippte Seite aus.
    Eine Nachricht von seinem Freund bei der Polizei. »Deine Vermutung hinsichtlich der Städtenamen Abilene und Tyler war ein Volltreffer, Jack. Ich bin auf eine Tyler, Abilene gestoßen, geboren 1938 in Abilene, Texas, die wiederum 1955 in Little Pecos eine Tochter zur Welt gebracht hat – Emily Louise Pagan. Die Daten und andere Einzelheiten stimmen überein. Du wirst es nicht glauben, Jack, aber auf den Kopf deines Täubchens ist eine Belohnung ausgesetzt.«
    Ein zweites Blatt kam aus dem Gerät – ein verkleinertes Fahndungsplakat des FBI , auf dem ein junges Mädchen namens Emily Louise Pagan abgebildet war.
    Jack wurde vor Schreck stocksteif. Das Fahndungsfoto zeigte eine Sechzehnjährige, aber die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. Dazu die Aufzählung ihrer Hobbys – Landschaftsgestaltung und gärtnerische Betätigung. Und dann las er sich den restlichen Text durch …
     
    Um ihn herum schien alles zu schwanken. Abby hatte ihn belogen und betrogen! Hatte ihm nicht alles erzählt! Nichts von der Brandstiftung im Gefängnis, nichts von ihrer Flucht in einem geklauten Auto, nichts von dem Überfall auf einen Spirituosenladen, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen waren. Um besser dazustehen, hatte sie das alles ausgelassen und gleichzeitig ihm gegenüber Aufrichtigkeit vorgetäuscht.
    Er stöhnte auf. Es fühlte sich an wie ein Hammerschlag direkt auf seine Brust. Am liebsten hätte Jack mit den Fäusten an die Wand getrommelt. Er war auf den ältesten Trick der Welt reingefallen, hatte sich von einer hübschen Fratze über den Tisch ziehen lassen. Alles, was an Wut und Verbitterung weiterhin knapp unterhalb der Oberfläche schwelte, loderte nun hitziger auf denn je.
    Voller Ingrimm entschloss er sich, sofort zu handeln. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Abby war eine Verbrecherin, die sich der Gerichtsbarkeit entzogen hatte, und er war Polizist.
Die Examensfeier an der Polizeiakademie, seine neue Dienstmarke an der Uniform, die Hand erhoben zum Schwur, die Gesetze zum Wohle des Volkes und der Stadt Los Angeles zu schützen und ihnen zu dienen.
    Er schnallte sich den Revolver um, steckte seine Dienstmarke und das zusammengefaltete Fahndungsplakat ein und machte sich auf die Suche nach Abby.

Kapitel 48
    Mrs.Vandenberg verhielt sich höchst eigenartig.
    Noch immer war Francesca mit dieser unnahbaren Frau nicht so recht warm geworden. Aber jetzt, als sie vor dem großen Spiegel stand und die Schneiderin letzte Änderungen an der Schleppe vornahm, hätte sie schwören können, dass ihre zukünftige Schwiegermutter, die die Anprobe überwachte, ungewöhnlich verstört war.
    »Dreh dich mal um, Liebes«, sagte Mrs.Vandenberg und begutachtete kritisch das Zwanzigtausend-Dollar-Brautkleid. »Na ja, Weiß scheint nicht unbedingt deine Farbe zu sein, findest du nicht auch?«
    Sagte man so etwas zu einer Braut? Francesca zügelte ihren

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