Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
Vom Netzwerk:
ihre
Tochter, und sie war mehr denn je entschlossen, sie aufzuspüren.
    »Ich versteh das nicht«, meinte sie, als das Dröhnen der Turbinen am azurblauen Himmel verebbte. »Könnte der Privatermittler etwas übersehen haben?« Sie rief sich ins Gedächtnis zurück, was er über Spencer Boudreaux gesagt hatte, einen Trunkenbold, der ständig an der Flasche hing. Wie gut mochte sein Erinnerungsvermögen nach so vielen Jahren noch gewesen sein? Und wie stand es mit dem Kindermädchen, das zur Zeit der Befragung bereits über siebzig war? Sie hatte zugegeben, bei vielen Zustellungen von Babys dabei gewesen zu sein. Und dann fiel Abby etwas ein, was sie noch nie bedacht hatte. »Vanessa, bist du eigentlich sicher, dass mein Baby ein Mädchen war? Hast du es mit eigenen Augen
gesehen

    »Ich war noch nie bei einer Geburt dabei gewesen«, sagte Vanessa, der anzusehen war, wie nahe ihr die Sache ging und wie gern sie alles gegeben hätte, um den Kummer ihrer Freundin zu lindern. »Es floss sehr viel Blut. Mir wurde übel. Ich musste mich setzen, habe also nicht direkt mitbekommen, wie das Baby rauskam. Die Aufseherin wusch es, hüllte es in eine Decke und gab es mir. Nein, nackt habe ich es nicht gesehen, aber ich hätte schwören können, dass die Aufseherin von einer ›sie‹ sprach.« Vanessa rieb sich den Nacken. Sie hatte die Nacht mit Zeb verbracht und kaum geschlafen. »Aber jetzt … bin ich mir nicht mehr so sicher. Das Baby könnte vielleicht auch ein Junge gewesen sein.«
    Eins stand für Abby fest: Sie würde die nächsten dreiunddreißig Jahre nicht darauf verwenden, nach einem
Sohn
zu forschen. Boudreaux und die anderen lebten nicht mehr, aber sie wusste, dass es jemanden gab, der ihr Rede und Antwort stehen konnte.
    Ein gefährlicher Mann, hatte der Privatermittler gewarnt, einer, der Menschen verschwinden lässt. Aber Abby blieb keine
    Wahl. Schon weil dieser Mann als Einziger noch Verbindung zu der Bande unterhielt, die ihr Kind entführt hatte.
    Gauner oder nicht – Abby wollte sich Michael Fallon vorknöpfen.

Kapitel 46
    »Mr.Fallon«, meinte der Landschaftsarchitekt, »was Sie da vorhaben, ist unmöglich durchzuführen. Dies hier ist Wüste, und wir … «
    »Wüste hin oder her«, sagte Michael. Sie saßen im Fond seiner Stretch-Limousine, zwischen sich eine Mappe mit Blaupausen. »Wenn Sie den Auftrag nicht ausführen können, erledigt ihn eben ein anderer.«
    »Schon gut, Mr.Fallon«, knickte der andere ein. »Ich werd mich sofort an die Arbeit machen.«
    Der Wagen hielt an und der Architekt stieg aus.
    Mit dem Plan, einen riesigen Regenwald anzulegen, hatte Fallon schon einmal Schiffbruch erlitten. Trotz intensiver Bewässerung, die gigantische Kosten verursacht hatte, waren die Pflänzlinge nicht angegangen. Das Klima und der sandige Boden ließen ein derartiges Vorhaben einfach nicht zu. Für Fallon ein Grund, die Wüste noch mehr zu hassen. Dennoch war er entschlossen, sein Projekt zu realisieren. Der Regenwald sollte ein Magnet für das Atlantis werden, eine Attraktion, mit der jedes große Casino aufwartete. Das Luxor hatte seine Sphinx und Treasure Island seine Piratenschiffe. Das Atlantis gedachte noch eins draufzupacken. Es war auf dem Titelbild von
Time
gewesen und im
National Geographic
eingehend gewürdigt worden. Michael Fallon selbst hatte es auf die Titelseite von
People
geschafft und war von
Forbes
mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen Dollar auf die
jährliche Liste der vierhundert reichsten Amerikaner gesetzt worden. Inoffiziell galt er als der mächtigste Casino-Betreiber entlang des Strip.
    An diesem Freitagmorgen war er verstimmt. Diese Vandenbergs! Anstatt es sich zur Ehre anzurechnen, dass seine Tochter deren Sohn heiratete, drückten sie auf mannigfaltige Weise ihre Missbilligung aus – luden Fallon nicht zu einem Cocktailempfang für die Verlobten ein, einer Party, an der alles teilnahm, was in Nevada Rang und Namen hatte. Mrs.Vandenberg hatte durchblicken lassen, das Paar solle sich Zeit nehmen und seinen Entschluss nochmals gründlich überdenken. »Macht getrennt Urlaub«, hatte diese Schlange gemeint. Und Stephen Senior, Vorsitzender eines Golfturniers für wohltätige Zwecke, zu dem Profis und namhafte Persönlichkeiten eingeladen waren, hatte Michael Fallon dadurch düpiert, dass er ihn absichtlich nicht auf die Gästeliste gesetzt hatte.
    Wie die beiden ihren Sohn anhimmelten! Als ob ihr Augenstern die Wiederkehr des Herrn verkörperte. Für Fallon

Weitere Kostenlose Bücher