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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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er. »Wir können uns nicht darauf verlassen, dass sie nicht auftaucht und alles zunichte macht. Glaub mir, Baby, wir müssen sie ein für alle Mal zum Schweigen bringen. Dein Leben soll durch nichts bedroht werden. Das war und ist alles, was ich mir wünsche.« Er tätschelte Francesca die Wange, und diese kurze Unaufmerksamkeit nutzte Abby. Sie schlug ihm die Stablampe mit aller Wucht auf den Kopf, packte Francesca am Handgelenk und hetzte davon.
     
    »Haben wir uns verirrt?«, fragte Francesca ein wenig später. Sie war vor Entsetzen wie gelähmt. Das Geständnis ihres Vaters,
sie als Baby geraubt zu haben. Für Eriks Tod verantwortlich zu sein. Wie in einem Albtraum kam sie sich vor.
    Abby folgte diesem und jenem Weg. Als sie einen stärkeren Luftzug spürte, sagte sie: »Hier geht’s raus.«
    Aber bereits nach wenigen Schritten hörten sie ein Geräusch und blieben wieder stehen, lauschten mit angehaltenem Atem. »Ein Kojotenweibchen«, flüsterte Abby. »Es wittert Gefahr und will seine Jungen um sich scharen.«
    Und schon stellte sich ihnen das Weibchen mit hoch erhobener Rute zum Zeichen seiner Verteidigungsbereitschaft in den Weg.
    »Nicht bewegen«, flüsterte Abby. »Wenn irgendwo Junge sind, ist meist auch das Männchen nicht weit.« Sie fuhr sich mit der ausgetrockneten Zunge über die Lippen. »Langsam zurückziehen«, flüsterte sie und schob sich zwischen Francesca und das knurrende Kojotenweibchen. »Pass auf, wo du hintrittst. Nichts überstürzen. Keine abrupten Bewegungen.«
    Während die beiden Frauen vorsichtig zurückwichen, verharrte das Tier angespannt und zum Sprung bereit. »Sie wird uns nicht folgen«, sagte Abby. »Sie will nur ihre Jungen beschützen.«
    Sie gingen den Weg zurück, durch Korridore und dichte Spinnweben, stolperten über Knochenreste, bis sie zu einer Passage gelangten, die mit schwerem Gerät in den Felsen geschlagen worden war. Wie sich Abby erinnerte, hatten in den dreißiger Jahren Bergleute hier einen Stollen in die Felsen getrieben. Verrottete Holzbalken stützten mehr schlecht als recht die Decke ab.
    Als sie hinter sich etwas hörten, nahmen sie zunächst an, das Kojotenweibchen sei ihnen doch gefolgt. Aber es handelte sich um eine andere Gattung Raubtier, das sie aufgespürt hatte.
    Fallon.
     
    »Ich höre den Wind heulen!«, sagte Vanessa. »Wir müssen in der Nähe eines Ausgangs sein.«
    »Klingt, als würde der Sturm nachlassen«, meinte Jack.
    »Was ist das da vorn? Sieht aus wie … großer Gott!«
     
    Fallon hielt seinen Revolver im Anschlag. »Francesca, komm her.«
    Francesca jedoch, befreit von der Last, den Tod der Mutter auf dem Gewissen zu haben, widersetzte sich. »Nein. Das lass ich nicht zu.«
    »Francesca, tu, was ich sage«, kam es schneidender. Fallon spannte den Hahn seiner Waffe.
    Dann: »Fallen lassen!« Jack, seinen Dienstrevolver mit beiden Händen umfassend, nahm Fallon aufs Korn.
    Fallon fuhr herum, schoss. Die Kugel traf einen morschen Balken, ließ ihn der Länge nach bersten. Die Decke gab langsam nach. Abby packte Francesca und rannte auf Jack zu. Die Hände schützend über dem Kopf, konnten sie mehr ahnen als sehen, wie unter donnerndem Getöse die Decke einstürzte. Als sich der Staub verzog, erkannten sie, dass Geröllmassen den Tunnel blockierten und Fallon von der Gruppe abgeschnitten hatten.
    Abby fiel Jack in die Arme. »Gott sei Dank ist dir nichts passiert«, sagte er und drückte sie an sich.
    »Jack, wir müssen Fallon da rausholen. Einen anderen Ausgang gibt es nicht.«
    Aber schon griff Zeb nach Vanessas Arm. »Die restliche Decke kommt auch gleich runter. Schnell! Hier lang!«
     
    Wie ein Wahnsinniger machte sich Fallon an dem Geröllberg zu schaffen, der ihn von den anderen getrennt hatte und ihn in einem kleinen Schacht gefangen hielt. Sand rieselte herab, als er kratzte und scharrte, bis seine Finger bluteten. Da
er schwitzte und zu ersticken drohte, riss er sich das Jackett herunter. Als sich die Luft mit Staub füllte, meinte Fallon, die Stimme seiner Mutter zu hören. Das konnte unmöglich sein. Gestern hatte man ihn telefonisch informiert, dass der Auftrag in Miami erledigt worden sei. Wie hatte man ihn ausgeführt? Mit Gift? Ein Kissen aufs Gesicht gedrückt?
Hatte Lucy gewusst, dass ihr Sohn veranlasst hatte, sie zu ermorden?
    Derweil es unablässig von der Decke rieselte, musste er an Rocco Guzman denken, der vor Jahren, bis zum Hals in Sand eingegraben, nach und nach die Farbe einer überreifen Tomate

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