Wilder Oleander
erblickte sie vor sich einen Maschendrahtzaun und ein mit einem Vorhängeschloss versperrtes Tor mit dem Hinweisschild PRIVATZUGANG . Als sie das Schloss untersuchte und überlegte, ob eine Haarnadel genügte, um es zu knacken, sah sie aus der Ferne Scheinwerfer auf sich zukommen.
Zwei Männer in schmucken Blazern und Flanellhosen stiegen aus und gesellten sich zu ihr ans Tor. Sie wussten Bescheid. Die junge Frau am Flughafenschalter hatte sie telefonisch informiert. »Bitte folgen Sie uns, Dr.Kaplan.«
Im Resort wurde sie von Vanessa Nichols, der Managerin, begrüßt, die, nachdem sie ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass Ophelia es sich doch anders überlegt habe und hergekommen sei, den späten Gast mit einem Golfcaddy zum Hauptgebäude brachte. »Zu den Luxussuiten«, sagte sie.
Beim Betreten der ihr zugedachten Unterkunft gingen Ophelia schier die Augen über. Sie befand sich in der Suite Marie Antoinette, einem in Weiß und Gold gehaltenen ungemein luxuriösen Boudoir mit Louis XV -Möbeln, die Vorstellungen von gepuderten Perücken und Maskenbällen heraufbeschworen. Als Ms. Nichols die schweren Vorhänge beiseite zog, hielt Ophelia den Atem an. Die Aussicht, die sich ihr bot, ging nicht hinaus auf das Resort oder die umgebende Wüste, sondern auf eine naturgetreue Nachbildung von Paris, Eiffelturm inklusive.
»Unsere Dienstleistungen und Annehmlichkeiten stehen Ihnen
jederzeit zur Verfügung«, sagte die Managerin noch, ehe sie sich mit einem »Gute Nacht« zurückzog.
Nachdem sie kurz einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass der Eiffelturm zu jener Zeit noch gar nicht erbaut war – »Musst du immer die Akademikerin herauskehren? Kannst du nie mal fünfe gerade sein lassen?«, hatte ihr ihre Schwester einmal vorgeworfen –, kehrte Ophelia der Aussicht den Rücken. Sie nahm sich ihre Tasche vor und holte die Tüte heraus, die aus einem nachts geöffneten Drugstore in Palm Springs stammte. Mit dieser Tüte begab sie sich in das in Gold und Marmor gehaltene Badezimmer, griff nach der Schachtel, die sich darin befand und die sie, ohne sie zu öffnen, neben das Waschbecken stellte.
Wie gelähmt starrte sie die Schachtel an. Sie enthielt alles für einen Schwangerschaftstest. Davor, was er erbringen würde, hatte sie eine panische Angst. Sie dachte an die Albträume, die sie verfolgten, an ihr verbissenes Schweigen David gegenüber, an den Kummer, der sie derart bedrückt hatte, dass ein feister Moderator in einer Talkshow ihr in den Rücken hatte fallen können.
Ich darf nicht schwanger sein
, beschwor sie die Testschachtel.
Eigentlich war es unmöglich.
Kapitel 11
Coco hatte sich den Nachmittag über mit ihrer Kristallkugel beschäftigt und als einziges Ergebnis Kopfschmerzen davon bekommen. Daisy, ihr guter Geist, hatte nicht gesprochen.
Demnach war Handeln angesagt. Da das Abendessen mit Abby Tyler abermals verschoben worden war – wieso eigentlich? –, hatte sie nichts vor. Sie zog eine leichte Hose und ein locker fallendes Hemd an, wollte nochmals durch die Ferienanlage streichen, um nach dem Mann ihrer Träume Ausschau zu halten. Bei der Befragung ihrer Kristallkugel am Nachmittag hatte sie versucht, nicht an »Mr.Superhirn« Kenny und seine Schmeicheleien zu denken – »Bestimmt kein Verschönerungsprogramm. Was gäbe es da wohl noch zu verbessern?« –, und sich vorgenommen, heute Abend einen Bogen um den Java-Club, in dem er auftrat, zu machen.
Nachdem sie auf Vanessa Nichols Rat hin sicherheitshalber die Alarmanlage eingeschaltet hatte, verließ sie ihr Häuschen und verschloss die Tür. Und staunte nicht schlecht, als sie im Schein der Beleuchtung entlang des Weges den blonden Schopf ausmachte.
»Hallo«, sagte Kenny.
Ihr trügerisches Herz setzte kurz aus. »Wie haben Sie mich gefunden?«
»Insiderwissen.« Kenny grinste. Anstelle des Kostüms, in dem er auftrat, trug er beigefarbene Hosen und ein Oxfordhemd, was ihn jünger aussehen ließ. Wie ein Verbindungsstudent,
befand Coco und fragte sich, wie alt er wohl sei. »Meine Show beginnt erst in einer Stunde. Wär nett, wenn wir vorher noch etwas zusammen trinken könnten.«
Da sie zögerte, fügte er hinzu: »Sie sind heute Nachmittag so schnell verschwunden. Ich dachte schon, vielleicht … «
Wollte er etwa Schuldgefühle in ihr wecken? Eigentlich war für derlei Spielchen sein Blick zu offen und ehrlich. »Tut mir Leid«, sagte sie, »aber ich hatte dringend etwas zu erledigen.«
»Verstehe.« Eine
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