Wilder Oleander
auch. Eine geheimnisvolle Frau.« Er legte die Hand auf ihren Arm. Die Berührung elektrisierte sie. Erschreckte sie.
Und dann die Welle von Emotionen. Einsamkeit, Schmerz, der Wunsch,
die Hand auszustrecken …
Sie stürzte davon, ließ ihn stehen, sagte sich, es sei das Beste, es so zu beenden, noch ehe es wirklich begonnen hatte.
Am Rande des Resorts, auf der asphaltierten Landebahn, kam sie wieder zur Besinnung. Keine Passagiere im Wartehäuschen, der Privatjet im Mondlicht wie ein bleiches Gespenst, wie ein Flugzeug aus einer Episode von
Unheimliche Geschichten
.
Coco kämpfte mit ihren Gefühlen. Kenny, den sie an der Voliere einfach hatte stehen lassen. Die Enttäuschung auf seinem Gesicht. Aber ihr Leben lang hatte sie sich mit Männern eingelassen, die dann nichts mehr von ihr wissen wollten.
Um sich zu schützen, war sie weggelaufen. Um sie beide zu schützen.
Sie vernahm Stimmen. Sie folgte ihnen und kam zu einer Holzbaracke mit einem Windsack auf dem Dach. Davor zwei Männer im Gespräch, der eine in Monteurskluft, der sich gerade die Hände an einem Lumpen abwischte; in dem anderen erkannte Coco den Piloten, den sie am Sonntagabend angehimmelt hatte. Jetzt stand er leibhaftig vor ihr. Ein Mann, der viel herumkam.
Groß und kantig, den Rücken durchgedrückt, so als hätte er seine Moralprinzipien geschultert. Ein rechtschaffener Geselle mit energischem Kinn, dem die Uniform wie angegossen passte. Nach dem Motto, dass man den Teufel mit dem Beelzebub austreibt, wartete Coco ab, bis der Mechaniker »Gute Nacht« sagte und in eine Richtung verschwand und sich der Pilot mit seinem Handköfferchen in die andere aufmachte.
Sie trat ihm entgegen. »Hallo. Ich glaub, ich hab mich verlaufen.« Ein kurzer Blick auf seine linke Hand. Genug Mondlicht, um zu erkennen, dass da kein Ehering aufblitzte. Den trugen solche Typen
immer
, wenn sie verheiratet waren.
»Ich helfe Ihnen gern weiter.« Es klang unpersönlichsachlich, wie die Durchsagen über die Sprechanlage. Höflich, aber unzugänglich für Flirts und die Annäherungsversuche weiblicher Fluggäste. Solche Männer waren genau das Richtige.
Er sah blendend aus. Seine Augen unter dem Schirm seiner Uniformmütze musterten sie. Kein Jackett, dafür ein weißes Hemd mit Kapitänsstreifen auf den Schulterstücken. Ein Abenteurer, sagte sich Coco, ein Überlebenskünstler, einer, der waghalsige Rettungsaktionen durchführte. Dieser Pendelverkehr zwischen L. A. und The Grove diente lediglich als Verschnaufpause zwischen gefährlichen Einsätzen. »Wohin möchten Sie denn?«, fragte er.
Sie deutete auf den Jet. »Ich würde mir gern mal Ihr Cockpit ansehen.«
Ein Anflug der Überraschung, dann ein Zwinkern.
Die Gangway war noch ausgefahren. Er ließ sie vor sich die Stufen hinaufgehen. Das Cockpit war eng und mit allem Möglichen vollgestopft. Coco warf einen Blick auf Schalttafeln und Hebel und Instrumente und dachte an die Hände, die all dies unter Kontrolle hatten. »Übernachten Sie immer im Resort?«, fragte sie und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht.
»Wir sind zu zweit«, sagte er und ließ seine Hand über ihren Rücken zu ihrer Schulter hinaufgleiten. Begriffsstutzig ist er nicht, stellte sie fest. »Wir wechseln uns ab, ein Wochenende bleibt der Kollege bei der Maschine, eins ich.«
Sie drehte sich zu ihm um, bot ihm ihren Mund. Ihre Lippen vereinten sich zu einem Kuss. Als Coco auf den Blitz wartete, der sie manchmal durchzuckte und manchmal auch nicht, ahnte sie auf einmal, dass der Pilot zur Kategorie Wiederholungstäter gehörte.
Viel Bewegungsfreiheit hatten sie nicht. Er drückte sie an ein Instrumentenbord, presste sein steinhartes Glied an sie.
Coco legte ihm die Hand auf die Brust und merkte, dass da etwas in der Tasche seines Oberhemds steckte. Etwas kleines Rundes.
Sie wich zurück. »Was ist das?«
Er wurde puterrot.
Coco griff ihm in die Brusttasche und zog einen goldenen Reif heraus.
Und jetzt durchzuckte sie es: Frau und Kinder in Los Angeles, und wenn er nach The Grove kam, wurde der Ring abgestreift.
»Tut mir Leid«, sagte er.
Nicht mehr als Coco.
Kapitel 12
Von dem in angenehmes Licht getauchten Weg zum Privateingang von Abby Tylers Bungalow aus sah Jack es hinter ihren Fenstern hell schimmern. Sie wartete also auf ihn.
Auf sein Klopfen hin öffnete Vanessa und bat ihn herein. Jack war erstaunt über die geschmackvolle Einrichtung, bei der Antiquitäten und Kunstobjekte nicht fehlten. Nichts
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