Wilder Oleander
Fallon ihm eine abstruse Geschichte über einen Mann erzählte, einen gewissen Bakersfelt, der vor Jahren ein lukratives Netzwerk für Adoptionen auf dem Schwarzmarkt betrieben hatte, und dass da jetzt eine Frau namens Abby Tyler in diesen alten Kamellen herumstocherte. »Irgendwann wird sie auf meinen Namen stoßen, Uri. Das kann ich nicht zulassen. Wenn das die Vandenbergs erfahren … «
Vandenberg, der König von Nevada, der Reichste der Reichen und Fallons Eintrittskarte zur feinen Gesellschaft, der anzugehören sein größter Wunsch war – die Familie, in die Francesca am Samstag einheiraten würde.
Also hatte Uri ein bisschen herumtelefoniert und wartete jetzt auf Antwort.
Unten, zwischen den umlagerten Roulettetischen, sah er, wie Michael stehen blieb und mit Julio, der die Aufsicht über einen Teil der Spieltische führte, scherzhafte Bemerkungen tauschte. Fallon grinste, Julio lachte. Dann deutete Fallon nach oben, klopfte Julio jovial auf den Rücken und ging weiter.
Uri wusste, was die Geste zu bedeuten hatte. Julio war aufgefordert worden, im Büro vorstellig zu werden.
Als Fallon den privaten Fahrstuhl betrat, zwinkerte er Julio nochmals freundlich lächelnd zu und drückte dann auf den Knopf.
Die Türen schlossen sich fast geräuschlos. Fallons Lächeln erstarb. An manchen Tagen tat ihm das Gesicht vom vielen Lächeln weh.
Aber es war dieses Lächeln, das ihn dorthin gebracht hatte, wo er heute war.
Seine Hochzeit mit Simonians Tochter hatte ihn gesellschaftlich nicht so weit nach oben katapultiert wie erhofft. Auch nicht die Übernahme des Wagon Wheel. Ganz gleich, was er tat oder wie gut er aussah oder wie sehr er sich bemühte, charmant zu sein – er war nach wie vor Mike Fallon, der kleine Ganove. Als Francesca in sein Leben getreten war und er ab sofort seine Ziele auf sie und nicht mehr auf sich ausrichtete, hatte Fallon sein Spiegelbild einer kritischen Begutachtung unterzogen und die Schwachstellen erkannt. Es genügte nicht, gewieft und unbarmherzig zu sein und gut auszusehen. Charisma musste man haben. Das zeigte sich bei allen, denen Erfolg beschert war.
Also war er nach Hollywood gegangen und hatte einen Typberater engagiert, einen eigenen Fitnesstrainer, einen Filmregisseur und einen Schauspiellehrer. Sie nahmen ihn in die
Mangel, analysierten ihn, ließen ihn vor ihren Augen auf und ab gehen, sprechen und essen und trinken und besprachen sich anschließend. Dann unterwiesen sie ihn, übten mit ihm, ließen ihn vor Spiegeln posieren, drehten Filme von ihm, die sie auf eine großen Leinwand warfen. Was er dabei lernte, war, dass man, um glaubhaft zu wirken, ein ausgemachter Heuchler sein musste.
Ein hartes Stück Arbeit war gewesen, herauszuarbeiten, was Fallons Markenzeichen werden sollte, was Männer zu verminderter Wachsamkeit bewegen und in Frauen den Wunsch wecken würde, mit ihm ins Bett zu steigen. Man einigte sich darauf, dass es sein Lachen war. Nur dass er nicht viel lachte. Was ab sofort anders werden musste. Das Team übte mit ihm ein, wann er zu lachen, wie er auf Kommando rot zu werden, wie er die Augen zu schließen hatte, so als sei ihm ein Fauxpas unterlaufen. Schauspieler, die hinzugezogen wurden, zeigten ihm, wie man das machte, und bald darauf verstand sich Mike Fallon darauf, selbstbewusst und spöttisch zugleich zu lachen. Das machte Spaß, war sexy und stand derart im Gegensatz zu seiner dunklen Seite, dass selbst er sich im Spiegel den Spaßvogel abnahm. Seine Rivalen könnten unmöglich dahinterkommen, was in ihm vorging, und keine Frau würde ihm einen Korb geben.
Völlig verwandelt kehrte Fallon nach Vegas zurück. Der Ganove war vom Charmeur abgelöst worden.
»Guter Besuch heute Abend«, sagte er beim Betreten seines Büros. Das sagte Fallon jeden Abend, und es boomte ja auch im Atlantis.
Uri sah, dass sein Freund einmal mehr in den gold geäderten Spiegel über der Bar schaute. Seit dreißig Jahren ließ Fallon keine Gelegenheit aus, sein Äußeres zu überprüfen – seit seinem Ausflug nach Hollywood, von dem er mit einem anderen Lachen und einem federnden Gang zurückgekommen
war, mit einem neuen Leuchten in den Augen, so als hätte er in seinem Kopf ein Großreinemachen veranstaltet. Neue Energie hatte ihn beflügelt, er schien unter Strom zu stehen. »Ich glaube nicht an das Glück«, hatte der neue Mike Fallon gesagt, »das überlasse ich diesen Trotteln im Casino. Glück ist was für Verlierer. Ich dagegen werde aus eigener Kraft
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