Wilder Oleander
tun?«
»Nur hübsch aussehen und das da anhaben.« Erst jetzt sehe ich, dass er außer den Hemden auf den Bügeln auch einen kleinen Beutel mitgebracht hat.
»Was ist das?«
»Ein Kostüm für die Assistentin eines Magiers. Wenn es dir passt, bist du engagiert.«
Er zieht zwei winzige Streifen aus miteinander verbundenen Metallplättchen aus der Tasche. Soll das ein Witz sein? Nicht mal einer Maus würde so was passen. Aber ich fühle mich herausgefordert und werde den Teufel tun, nicht darauf einzugehen.
»Okay«, sage ich. »Aber du musst die Augen zumachen. Nicht spitzeln.« Ich könnte zum Umziehen natürlich ins Bad gehen oder ihm einfach den Rücken zukehren, aber ich will ihn auf die Probe stellen. Wenn er blinzelt, ist er kein Gentleman. Aber dann ergibt sich für mich ein Problem: Die Häkchen meines BHs spielen nicht mit. Große Brüste haben den Nachteil, dass man, um der Schwerkraft entgegenzuwirken, vier Häkchen braucht. Mit meinen langen Acrylfingernägeln bekomme ich sie einfach nicht auf.
Kennys Augen sind noch zugezwickt. Ich schmiege mich an ihn und raune: »Mach mir den BH auf. Aber nicht schauen. Wenn du spitzelst, wirst du mir das büßen.«
Er macht sich an meinem Rücken zu schaffen, erfolgreich. Ich streife den mit Spitze besetzten BH ab, ohne Kenny aus
den Augen zu lassen. Bis jetzt hat er noch nicht geblinzelt, aber seine flatternden Lider verraten mir, dass er sich kaum noch beherrschen kann.
Das Kostüm ist mehr als winzig. Ich ziehe mein Höschen aus und steige in den Streifen aus Metallplättchen, kann ihn aber nur bis zur Hälfte der Schenkel hochziehen. Dieses Kostüm war wohl für Twiggy gedacht!
Ich geb’s auf. Als ich mich aufrichte, ertappe ich Kenny mit offenen Augen. Jetzt werde ich ihn bestrafen müssen …
»Uauh!«, entfuhr es Coco.
Diese Gedanken waren kein gutes Zeichen. Die Zeit verrann, und sie musste einen Mann finden.
Nach einer kalten Dusche und einem warmen Frühstück, wobei sie versuchte, Kenny und seine elektrisierenden Hände und, nicht zu vergessen, seine sanfte Stimme, seine traurige Geschichte und seine erotische Ausstrahlung so weit wie möglich aus ihren Gedanken zu bannen, nahm sich Coco ihre Kristallkugel vor. »Daisy, lass mich nicht im Stich«, sagte sie und hoffte, der von der Sonne verklärte Himmel über der Wüste würde die Welt der Geister öffnen und Daisy zu ihr schicken. »Verrat mir mehr über den Mann, den ich hier finden soll.«
Sie schloss die Augen und hielt die Hände über den funkelnden Ball. Sie atmete ruhiger, entspannte den Körper. Jetzt spürte sie etwas. Ein Kribbeln. Daisy versuchte, zu ihr durchzudringen. »Nenn mir einen Namen … ein besonderes Merkmal … «
Klingeling!
Coco sprang fast vom Sofa auf.
Als ob es sie absichtlich gestört hätte, starrte sie das Telefon an, unschlüssig, ob sie abheben oder den Apparat rauswerfen sollte, konnte schließlich doch nicht widerstehen und meldete sich.
Es war Kenny. Als sie seine Stimme hörte, setzte kurz ihr Herz aus. Er schlug ihr vor, sich am späteren Nachmittag auf einen Cocktail zu treffen. Coco runzelte die Stirn. Der Tag war noch jung. Wieso derart weit vorausplanen? Da er aber auf nette, höfliche und, ja gewiss doch, einschmeichelnde Art nicht locker ließ – und es zog sie ja auch mit aller Macht zu ihm –, willigte sie ein. Was war schon dabei, sich mit ihm auf einen Drink oder zwei zu verabreden? Und zeitlich würde sich das Rendezvous auch in Grenzen halten, weil sie ja bei Abby Tyler zum Abendessen eingeladen war.
Obwohl sie sich über den Anruf gefreut hatte und allen guten Vorsätzen zum Trotz dem Wiedersehen mit Kenny entgegensah, wandte sie sich, wenn auch mit gemischten Gefühlen, wieder ihrer Kristallkugel zu und versenkte sich in einen spirituell rezeptiven Zustand, um Daisy abermals zu ihr vordringen zu lassen.
Eine Botschaft kam durch!
Keine Worte, das nicht, auch keine Bilder, nichts Substantielles oder Konkretes. Mehr eine bestimmte Ahnung. Eine kleine Berichtigung dessen, was Daisy ihr gestern vermittelt hatte. Nicht »weit gereist« sei ihr Seelenpartner, sondern »weltoffen«.
Coco riss die Augen auf und stierte den Kristall an. Weltoffen! Nicht unbedingt das Gleiche wie ein Pass voller Stempel. Man konnte den Globus umrunden und alles andere als weltoffen sein.
Sie überlegte kurz. Auf Kenny passte das nicht. Intellektuell oder umfassend gebildet kam er ihr nicht vor.
Er schreibt Handbücher für Computer und versucht,
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