Wilder Oleander
mitbekam.
Wenn er an die kurze Unterhaltung gestern mit Coco McCarthy zurückdachte, musste er sich eingestehen, dass nichts an ihrem Verhalten ungewöhnlich oder verdächtig gewesen wäre. Sie schien genau dem zu entsprechen, was man von ihr erwartete: als Gast in einem Ferienparadies ihren Urlaub zu genießen. Dennoch schmeckte es ihm nicht, dass das so genannte Preisausschreiben, das sie und die beiden anderen Frauen gewonnen hatten, nur ein Vorwand gewesen war, um sie herzulocken. Warum? Was hatten diese Frauen, außer dass sie alle drei adoptiert worden waren, miteinander und mit Abby Tyler zu schaffen? Ninas Unterlagen zufolge waren Coco und Sissy und Ophelia im selben Jahr, sogar in derselben Woche wie Nina geboren. Dadurch, dass Nina alles daran gesetzt hatte,
deren
leibliche Eltern ausfindig zu machen, hatte sie gehofft, auf ihre eigenen zu stoßen. Nur dass Ninas Leben geendet hatte, ehe sie fündig geworden war.
Jack schlenderte durch The Village, warf einen Blick in die Schaufenster, lächelte Passanten zu, bis er ganz zufällig in einer kleinen Boutique Mrs.Whitboro erspähte, die dort die Kleiderständer durchging.
Er steckte seine Sonnenbrille ein, betrat den hübschen Laden
und peilte die Herrenabteilung an, die mit einem Sonderangebot an Hawaii-Hemden aufwartete.
Von dort aus beobachtete er mit Hilfe des Überwachungsspiegels Sissy Whitboro. Sie machte nicht den Eindruck, als wollte sie etwas kaufen, wirkte vielmehr fahrig, und ihre Augen waren geschwollen, als ob sie geweint hätte.
Jack griff sich zwei Hemden und trat auf sie zu. »Verzeihung«, sprach er sie an, »ob Sie mir wohl helfen könnten? Ich bin Hals über Kopf hergekommen. Eigentlich stand ich auf der Warteliste, aber dann war doch noch ein Platz auf der Maschine frei. Zum Einpacken von Sommersachen blieb leider keine Zeit mehr. Da ich jedoch sehe, dass Sie einen Ehering tragen, vermute ich, dass Sie Ihren Mann bei der Wahl seiner Garderobe beraten.« Er hielt die beiden Hemden hoch. »Was meinen Sie? Welches soll ich nehmen?«
Sie würdigte die Hemden kaum eines Blicks. »Das mit den Palmen.«
»Das hatte ich auch gedacht. Wissen Sie, für gewöhnlich sucht meine Frau alles zum Anziehen für mich aus. Leider konnte sie nicht mitkommen.«
Sissy lächelte höflich. »Musste wohl bei den Kindern bleiben?«
»Wir haben keine Kinder. Aber wir tragen uns mit dem Gedanken, eins zu adoptieren.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht … Obwohl es heißt, man würde sie genauso lieb haben … «
Wenn Sissy Whitboro wusste, dass sie selbst adoptiert worden war, ließ sie sich das nicht anmerken, sondern nickte nur zerstreut und ging weiter.
Jack konnte es einrichten, zur selben Zeit wie Sissy an der Kasse zu sein. Während der Angestellte noch damit beschäftigt war, seine Kreditkarte durch die Apparatur zu ziehen, wandte sich Jack an Sissy. »Wirklich toll, The Grove«,
schwärmte er. »Die Besitzerin dürfte eine Berühmtheit sein. Wissen Sie, wer sie ist?«
Sissy schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass ich bei einem Preisausschreiben gewonnen habe. Also mach ich das Beste daraus. Viel Spaß mit dem neuen Hemd.«
Und weg war sie.
Kapitel 19
Offiziell war es das Probeessen für die Hochzeit, für Michael Fallon indes ein weiterer Vorwand, ein im großen Stil aufgezogenes Grillfest auf dem Gelände seines riesigen Anwesens in Henderson zu veranstalten, eine grandiose Party mit mehr kulinarischen Köstlichkeiten als man bewältigen konnte, Live-Musik von einer fünfköpfigen Band und Champagner bis zum Abwinken. Die Spätnachmittagssonne schien auf eine fröhliche, gut gekleidete Menge.
Und Mike Fallon, der Mogul der Spielerszene, berühmt dafür, die Massen nach Las Vegas gelockt und die Stadt in ein Zockerparadies verwandelt zu haben, Fallon, ungeachtet seines sechzigsten Geburtstags in zwei Jahren ohne den leisesten Anflug von grauem Haar und an diesem Tag in weißen Hosen und weißem, offenem Hemd, um seine olivfarbene Brust zur Schau zu stellen, überblickte stolzgeschwellt die erlauchte Runde der Gäste. Was er sich in der Nacht, da seine Tochter geboren worden war, vorgenommen hatte, wurde endlich wahr. Er und Francesca, die Beherrscher der Welt.
»Ein hübsches Mädchen«, meinte die Blondine neben ihm. Sie trug ein keckes Matrosenkostüm in Weiß und Marineblau, mit goldenen Sternchen an jeder Brust. Fallon erinnerte sich vage daran, dass er sie mal flachgelegt hatte – wild war sie gewesen, und vor allem
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