Wilder Oleander
gekämpft, der Frau in der vom Mann eifersüchtig verteidigten Welt Geltung zu verschaffen und sich dadurch in der Uni den Ruf erworben, ein Mannweib zu sein. Bei
ihm
jedoch konnte sie zerbrechlich und machtlos sein und ihre Weiblichkeit seiner starken Männlichkeit ausliefern, ein unglaublich mit Erotik befrachtetes Gefühl, das zur Obsession wurde.
Wieder einmal regnete es, und diesmal brannte ein Feuer im Kamin. Trotz der kühlen Witterung draußen trug sie eine dünne Bluse, die die blassblaue Reizwäsche darunter durchschimmern ließ. Als er merkte, dass sie keine Strümpfe anhatte,
zog er Ophelia an sich und küsste sie. Alles ging sehr schnell. Später beschrieb er es »als ob ein heißes Messer sich in weiche Butter gesenkt hätte«, derart bereit war sie gewesen. Sie lagen auf dem weichen Teppich, und als er abermals in sie eindrang und sich mehr Zeit ließ, stieß Ophelia Schreie niemals zuvor empfundener Lust aus. Endlich gehörte David ihr.
Das lag ein Jahr zurück, und jetzt trug sie seinen Verlobungsring und befürchtete, von ihm schwanger zu sein.
Nach absolviertem Training schnellte sich Ophelia aus dem Pool in die glitzernde Morgensonne. Höchste Zeit, sich in ihrer Suite dem Schwangerschaftstest zu unterziehen. Gestern, bei ihrer Ankunft, war es zu spät dafür gewesen, die Talkshow und die lange Fahrt hatten sie über Gebühr ermüdet.
Sie haderte mit sich, den Test vor sich herzuschieben. Zaudern war eine Schwäche, die sie verachtete. Und dennoch zauderte sie selbst, musste sich überwinden, zur Tat zu schreiten.
Als sie sich in ein Handtuch wickelte, bemerkte sie zwei Frauen auf Liegestühlen, die ihr Buch lasen. Verwundert schüttelte sie den Kopf. Niemand, wirklich niemand hatte ihr geglaubt, als sie gesagt hatte, es sei nicht ihre Absicht gewesen, ein populärwissenschaftliches Ernährungsbuch zu schreiben. Nur David hatte ihr das abgenommen. Aber David war ja in sie verliebt.
Dr.Ophelia Kaplan, Professorin der Anthropologie an der Universität, hatte vor drei Jahren unbeabsichtigt für Furore gesorgt, als sie ein Buch mit dem Titel
Brot ist tödlich
veröffentlicht hatte. Eine Absage an den Verzehr von Produkten auf der Basis von Mehl, zu der sie durch den Vergleich der Zähne von prähistorischen Völkern mit denen der alten Ägypter angeregt worden war. Der Analyse von Mumien zufolge hatten die Bewohner des Niltals an schrecklichen Erkrankungen der Mundhöhle, an Zahnfäule und Zahnfleischabszessen von fast
epidemischen Ausmaßen gelitten, an Kreislauferkrankungen und anderen Schädigungen, die auf weitverbreitete Diabetes schließen ließen.
Was wohl die Ursache für eine derart drastische Veränderung im Krankheitsbild von der vorpharaonischen bis zur pharaonischen Zeit gewesen sein mochte?, hatte sich Ophelia gefragt. Es gab nur eine Antwort: Brot.
»Die Physiologie des Menschen«, hatte sie in ihrer Publikation angeführt, »hat sich über vier Millionen Jahre lang unter Angleichung an die Umweltbedingungen entwickelt. Unsere Vorfahren, die Hominiden, ernährten sich von Eiern, Eidechsen, Vögeln, Wurzeln, Samen und Beeren. Hin und wieder erlegten sie größere Tiere. Unser Verdauungssystem, die Bauchspeicheldrüse, der Stoffwechsel entwickelten die Fähigkeit, die Nahrung, die wir zu uns nahmen, zu verarbeiten. Und dann, vor knapp zehntausend Jahren, fingen wir plötzlich an, Brot zu backen, Honig zu essen, Alkohol zu trinken. Diese drei Gifte – raffiniertes Mehl, Zucker und Äthanol – waren niemals für den menschlichen Verzehr gedacht. Zehntausend Jahre waren für unser Verdauungssystem nicht ausreichend, um sich in dem erforderlichen Maße diesen Substanzen anzupassen und sie verarbeiten zu können. Das ist auch der Grund für die heute so weit verbreitete Fettleibigkeit, für eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme und weshalb Diabetes Typ II auf dem Vormarsch ist. Wir werden mit dem Verdauungssystem von Fleischfressern geboren. Möglich, dass in vier Millionen Jahren Pankreas und Fettspeicher ein System entwickeln, das mit einer solchen Unmenge von Zucker – denn das ist, was Mehl ist – fertig wird, aber bis dahin vergiften wir uns selbst.«
Das geisteswissenschaftliche Büchlein war ursprünglich nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht:
Der Übergang von der Jäger-Sammler-Gesellschaft zur Ackerbau Treibenden und
die pathologischen Auswirkungen auf die Menschen der
Bronzezeit
sollte nur in College-Buchhandlungen ausliegen, hatte dann aber durch
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