Wilder Oleander
hier nicht sehen lassen. Sei mir nicht böse, aber schon mit Rücksicht auf meine Tochter. Du weißt schon.«
»Klar, verstehe, Mike.«
»Hör zu. Einer meiner Männer bringt dich ins Atlantis, in eine Suite. Bestell dir beim Zimmerservice alles, was du willst. Spiel ein bisschen. Na, was sagst du dazu?«
Gamboni hatte Tränen in den Augen. »Du bist der Beste, Mike. Ein Mann mit Herz.«
Gamboni war dabei, seinen Rausch auszuschlafen, als jemand ihn weckte. Schon weil es dunkel war, brauchte er eine Weile, um sich klarzumachen, dass er sich nicht in einer Zelle befand, sondern in einer Luxussuite im Atlantis. »Hmm?«, murmelte er verkatert, und dann ging das Licht an.
Mike Fallon beugte sich über ihn.
»Jetzt pass mal gut auf, du widerliches Stück Scheiße«, sagte er und zog Gamboni aus dem Bett. »Ich nehm dich bei mir auf, ich geb dir Geld, und was machst du? Du quatschst. Die Vergangenheit ist abgehakt, Gamboni. Damit hab ich nichts mehr zu schaffen. Und du lässt gefälligst kein Wörtchen mehr darüber verlauten. Nicht mir und vor allem nicht meiner Tochter gegenüber. Hast du das kapiert?«
Gamboni blinzelte eulenhaft, als Michael ihn zum Teewagen des Zimmerservice mit den Überresten eines opulenten Abendessens zog. Noch ehe er sich’s versah, presste Mike ihm die Hand auf die Tischplatte und nagelte sie mit einem Steakmesser fest.
Gamboni schrie auf.
»Sag’s weiter,
capisce
? Keiner redet mehr über die Vergangenheit. Wenn doch, verliert er nicht nur eine Hand. Das nächste Mal nehm ich mir ihre Schwänze vor. Ist das klar?«
Gamboni nickte mit zusammengepressten Zähnen und schmerzverkniffenen Augen. Leichenblass war er geworden, Schweiß strömte ihm übers Gesicht, aus der wie ein Rumpsteak auf der Tischplatte festgenagelten Hand rann Blut.
Michael nickte den beiden Bodyguards an der Tür zu. »Bringt ihn in ein Krankenhaus. Sorgt dafür, dass er’s übersteht, damit er all diejenigen informiert, die aus den alten Tagen noch am Leben sind.«
Kapitel 20
Für Linda. Du hast einen neuen Menschen aus mir gemacht. Ed.
Nach dem Telefongespräch mit dem Juwelier hatte Sissy wie versteinert auf die klaren Farben ihres Paradiesvogelhäuschens gestarrt und gegen alle Logik sich einzureden versucht, dass da ein Irrtum vorliegen musste.
Dann aber war ihr nichts anderes übrig geblieben, als zwei und zwei zusammenzuzählen und der Tatsache ins Auge zu sehen, dass Ed eine Affäre mit ihrer besten Freundin hatte.
Sie hatte bei Linda angerufen. Da sie aber nur wieder an deren Anrufbeantworter gelangt war, hatte sie Lindas Pager angewählt, was sie nur selten tat, weil Linda als Grundstücksmaklerin häufig genug in Verkaufsverhandlungen steckte. Sie hatte Linda in ihrem Auto erwischt, und die forsche Stimme, mit der die Freundin sich meldete, hatten Sissys gute Vorsätze, ruhig und sachlich zu bleiben, über den Haufen geworfen.
Linda hatte den Standstreifen auf dem Highway angesteuert und, nachdem Sissy Dampf abgelassen hatte, gesagt: »Mädchen, hör zu. Ich mag ja die geilste Frau in Illinois und Teilen von Wisconsin sein, aber mir würde nie einfallen, den Ehemann meiner besten Freundin zu vernaschen.«
Sissy hatte zu weinen angefangen. Wenn Ed schon fremdgehen musste, war es irgendwie tröstlich, zumindest zu wissen, mit wem. Jetzt also mit einer Unbekannten. »Entschuldige,
wenn ich dich verdächtigt habe«, hatte sie gesagt und ein Papiertaschentuch an die Augen gedrückt. »Es hat mich einfach umgehauen. Verstoßen zu werden … «
Mehr brauchte sie gar nicht zu sagen. Linda wusste um Sissys tief verwurzelte Angst, verstoßen zu werden. Sie ging zurück auf den Tag, da sie herausgefunden hatte, als Kind adoptiert worden zu sein. »Meine leibliche Mutter hat mich verstoßen!«, hatte Sissy geschrieen. »Welche Mutter tut ihrem Baby so etwas an?« Aber es war auch eine Erklärung dafür, warum ihre Adoptivmutter – die sie über Jahre hinweg für ihre leibliche Mutter gehalten hatte – ihr gegenüber so kühl und gleichgültig geblieben war. Von zwei Müttern abgelehnt zu werden, war schlimm genug, und jetzt auch noch die Vorstellung, dass ihr Ehemann …
»Linda«, war ihr unvermittelt eingefallen, »gestern Abend am Telefon, da warst du so reserviert, so als würdest du mir etwas verheimlichen.«
Den Geräuschpegel des vorbeizischenden Verkehrs im Hintergrund, hatte Linda gesagt: »Hab ich auch. Voriges Jahr, als du erwähnt hast, Ed sei auf einer Verkaufstour in Seattle, hab ich
Weitere Kostenlose Bücher