Wilder Oleander
entlastet.«
In der zurückliegenden Nacht jedoch war der Traum anders verlaufen. Sie öffnete die Tür und stand Jack Burns gegenüber, der sie davon unterrichtete, dass ihre Verurteilung für hinfällig erklärt worden war. Dann griff er nach ihrer Hand. »Wohin nimmst du mich mit?«, fragte sie.
»In die Freiheit«, erwiderte er, und als sie aus der Tür trat, sah sie, dass sie sich am Strand befanden.
Barfuß gingen sie über den feuchten Sand. Der Mond erhellte ihren Weg, entlang der Küste brachen sich Wellen mit silbrig glänzenden Schaumkronen. Abby in ihrem durchsichtigen Nachthemd genoss es, wie sich das hauchzarte Material anfühlte, wie es ihren Körper umspielte und all ihre Sinne weckte. Lustvoll aufstachelte.
Wann hatte Jack seine Lederjacke abgelegt? Wo war sein Hemd? Seiner nassen Haut nach zu schließen, schien er gerade dem Wasser entstiegen zu sein. Das Funkeln der Sterne
spiegelte sich an seinen ausgeprägten Muskeln. Sie hätte ihm gern das Salz von der Haut geleckt.
Unvermittelt wandte er sich um, zog sie an sich und verschloss ihr den Mund mit einem anhaltenden Kuss, den sie atemlos erwiderte. Die Brandung schwappte um ihre Knöchel, neckend und auffordernd, sich dem Treiben der Meeresbewohner anzuschließen.
Jetzt löste sich Jack von ihr, zog sich die Jeans aus, die er langsam die Beine hinunterstreifte, um schließlich in atemberaubender Nacktheit im Mondlicht zu stehen. Dann bückte er sich nach dem vom Wasser feuchten Saum ihres Nachthemds, zog es ihr über den Kopf. Sein Blick glitt über ihren Körper, nahm jede Einzelheit wahr, und dann waren es seine Hände, die jede Beuge, jede Vertiefung erforschten. Auch sie berührte ihn, die sehnigen Arme des Bogenschützens, den muskulösen Brustkasten, die Wangenknochen, die Lippen, die danach lechzten, geküsst zu werden.
Er nahm sie bei der Hand, führte sie in die kühle Brandung und stürzte sich kopfüber in eine sich brechende Riesenwelle, aus der er, mit Abby in den Armen, wieder auftauchte. Während der wogende Ozean sie abwechselnd emporhob und in Wellentäler gleiten ließ, tauschten sie elektrisierende Küsse. Von Jacks starken Armen gehalten, schlang Abby die Beine um seine Schenkel. Auf den Wellenkämmen dahingleitend, drang er in sie ein, Mondlicht schimmerte auf ihrem Haar und den Schultern, und die Flut schwemmte sie vor und zurück, als sie, ineinander verschlungen, auf dem Pazifik dahintrieben.
Er drückte seine Lippen an ihr Ohr, raunte: »Schwimm mit mir bis ans Ende der Welt.«
Und sie sagte: »Ja … «
Als sie aufwachte, war ihr Bettzeug völlig zerwühlt gewesen und ihr Nachthemd bis zur Taille hochgerutscht. Ein Verlangen
hatte sie übermannt, das auch jetzt noch, als sie Stunden später vor Jacks Bungalow stand, in ihr loderte.
Er hatte sie überraschend am Morgen angerufen und sie zum Frühstück eingeladen. Abby wollte einerseits zusagen, andererseits ablehnen. Es gefiel ihr nicht, welch starke Wirkung er auf sie ausübte. Noch bei keinem Mann hatte sie sich je so schwach und so lebendig zugleich gefühlt. Aber sie musste herausbekommen, warum er hier war. Sie hatte erfahren, dass Jack Burns Gelegenheit gefunden hatte, mit Coco, Sissy und letzte Nacht auch mit Ophelia zu sprechen. Das erfüllte sie mit Sorge. Wenn er tatsächlich den Mord an seiner Schwester untersuchte, was hatte er dann mit diesen dreien zu schaffen?
Sie klopfte an seine Tür.
Der Kragen seines blaues Arbeitshemds war offen, die Ärmel hatte er hochgekrempelt, und sein kurzes Haar war zerzaust, wirkte ungekämmt. Ob er in Wirklichkeit auch so zu küssen verstand wie in ihrem Traum?
»Hallo!«, sagte er und trat zur Seite, um sie hineinzulassen. Jack hatte Abby seit dem gestrigen Tag, als sie ihn mittags ihrem Sicherheitschef Elias Salazar vorgestellt hatte, nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er hatte erwartet, sie irgendwann zufällig zu treffen, aber sie war schwer zu erreichen. Neben den vielen Aufgaben, die das Resort mit sich brachte, war Abbys Terminkalender auch mit vielen gesellschaftlichen Aufgaben gefüllt. Er hatte versucht, sie zum Dinner einzuladen, aber sie war bereits vergeben. Er musste herausfinden, warum sie Informationen über seine Schwester gesammelt hatte und welcher Art diese Informationen waren. Also hatte er sie gleich früh am Morgen angerufen und sie eingeladen. Zu seiner Überraschung sagte Abby zu.
Und nun stand sie vor ihm. Jack schoss durch den Kopf, dass sie morgens genauso fantastisch aussah wie zu
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