Wilder Oleander
Afrikaner?« Vanessa war sofort Feuer und Flamme gewesen. Seit ihrer Kindheit liebte sie Afrika.
Das Telefon hatte geläutet, weshalb Abby nur noch gesagt hatte, dass er mit der Abendmaschine käme. Worauf Vanessa, die sich bereits einem zweiten Sidney Poitier, Denzel Washington und anderen gut aussehenden Schwarzen gegenübertreten
sah, zwei geschlagene Stunden darauf verwandt hatte, sich zurechtzumachen und ein Kleid nach dem anderen durchzuprobieren, um sich letzten Endes für den marokkanischen Kaftan mit der Goldstickerei zu entschließen. Um ihm zu verstehen zu geben, dass sie eine »Schwester« war.
Als sie dann den hinreißenden Schwarzen aus dem Flugzeug in den Wüstenabend steigen sah, vollführte ihr Herz einen Freudensprung. Der dichte schwarze Schnurrbart und sein würdevolles Auftreten machten ihn noch umwerfender. Kaum hatte er die unterste Stufe der Gangway erreicht, streckte sie ihm die Hand entgegen und hieß ihn überschwänglich in The Grove willkommen, drückte ihre Freude darüber aus, dass er ja nun zur Familie gehöre, ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, bis es dem verdutzten Mann schließlich gelang, ihr seine Hand zu entziehen und zu erwidern, dass er zwar schon von der Gastfreundschaft von The Grove gehört habe, diese herzliche Begrüßung jedoch alles in den Schatten stelle. Und als dann der Mann hinter ihm, ein
Weißer
, sagte: »Ich nehme an, Miss Nichols, Sie suchen mich«, bekam Vanessa es mit Rassenvorurteilen der anderen Art zu tun. In Texas, wo sie in den sechziger Jahren aufgewachsen war, hatte man sie und ihre Freunde in ausschließlich Weißen vorbehaltenen Speiselokalen nicht bedient. Selbst getrennte Trinkbrunnen hatte es gegeben. Was sie jedoch den Weißen nicht sonderlich übel genommen hatte; immerhin waren auch sie, mit Transparenten bewaffnet, bei den Demos mitmarschiert und hatten zu einer Gesetzesänderung beigetragen. Dass Vanessa allerdings derart farbenfixiert war, hatte sie nicht geahnt. Afrika war für sie gleichbedeutend mit schwarz. Wie konnte ein Weißer Afrikaner sein?
Sie erfuhr, dass Zeb in Kenia geboren war, als Kind englischer Siedler. Anders als die Kinder anderer Kolonialisten war er nicht nach England gegangen, um dort aufs College zu gehen, sondern hatte zusammen mit Eingeborenenkindern die
Schulbank der Mission in Nyeri gedrückt. Er sprach Suaheli, trug Hemden aus Kangastoff und erzählte Geschichten aus dem Hochland Kenias, so als stammte er von dort. Was ja auch zutraf.
In Vanessas Kopf war es drunter und drüber gegangen. Für weiße Männer hatte sie nie etwas übrig gehabt, nicht einmal für hellerhäutige Afroamerikaner. Bei ihr mussten Männer richtig schwarz sein, gefährlich und bärenstark wirken. Äußerlich jedenfalls. Und jetzt bekam sie es mit diesem siebenundfünfzigjährigen Fremden zu tun, der eine rötliche Gesichtsfarbe und leicht schütteres Haar hatte, aber dennoch durchaus männlich wirkte und aus dessen Mund sie den Zauber eines Kontinents vernahm, den sie so liebte und den sie so gern eines Tages kennen lernen wollte.
Zeb gehörte nicht zu den introvertierten Muskelpaketen. Er war zwar kräftig, aber alles andere als verschlossen. Er redete gern, und die Geschichten, die er zum Besten gab, stießen bei vielen Gästen auf Begeisterung. Nur Vanessa spürte, dass er trotz seiner Redseligkeit ein Geheimnis hütete. Wie konnte ein Mann, der unbekümmert drauflosredete und lachte, den Eindruck erwecken, irgendwie mysteriös zu sein?
Es war das, was er nicht sagte, was sie faszinierte.
Und eines Nachts hatte sie sich in ihn verliebt.
Er hatte viel getrunken. Eine Meldung in der Morgenausgabe der Los Angeles Times hatte ihn ausrasten lassen. Neuntausend Pfund Elfenbein, die auf dem nigerianischen Schwarzmarkt verkauft werden sollten, waren sichergestellt worden. »Vor zwanzig Jahren«, hatte sich Zeb bei einer Flasche Foster’s Lager empört, »gab es weltweit über eine Million Elefanten. Heute ist ihre Zahl auf weniger als die Hälfte zusammengeschrumpft. In Ländern wie Senegal oder der Elfenbeinküste sind sie völlig ausgerottet. Bald wird es überhaupt keine mehr geben.«
Zeb hatte gewettert und mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Und dann hatte er geweint, in Erinnerung an frühere Zeiten und an ein Afrika, das es nicht mehr gab. »Weiße Jägermörder haben sie uns genannt. Aber wir haben in den Parks für Ordnung gesorgt. Wir waren es, die die Regeln aufstellten – dass keine weiblichen Tiere geschossen
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