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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie.«
    »Wenn ihr euch begegnet, möchte ich dir einen Rat geben.«
    »Welchen?«
    »Sag nicht etwa Anna zu ihr, sondern unbedingt Anne. Was anderes mag sie nicht.«
    »Ich werd' mir's merken.«
    »Schlimmere Marotten hat sie keine mehr. Heute –«
    Der Winzer wurde unterbrochen. Die gefüllten Täubchen kamen. Sie sahen verführerisch aus und rochen auch so. Schon wollte er sich über sie hermachen, als ihm etwas auffiel.
    »Und du?« fragte er Ingrid. »Was ißt du?«
    »Ich weiß nicht, was du mir bestellt hast.«
    »Ich?« Er ließ Gabel und Messer sinken, die er schon über einem der beiden Täubchen erhoben hatte. »Ich habe dir gar nichts bestellt.«
    »In der Tat, diesen Eindruck hatte ich auch, aber ich sträubte mich dagegen, ihn für zutreffend zu halten. Doch nun bestätigst du ihn mir ja selbst.«
    Die Situation schien sogar dem Winzer irgendwie peinlich zu sein.
    »Ingrid … ich … du …«, krächzte er.
    »Du darfst deine Täubchen nicht kalt werden lassen«, fiel sie ihm ins Wort.
    »Ich werde eins dir abtreten, Ingrid.« Dies schien ihm der rettende Einfall zu sein.
    Er wurde abgeschmettert.
    »Täubchen mag ich keine.«
    »Was dann?«
    »Das muß ich erst sehen«, erwiderte sie, nach der Karte greifend.
    Natürlich kannte sie dieselbe längst auswendig, hatte sie sich doch schon eingehend genug mit ihr beschäftigt gehabt, ehe er erschienen war. Aber es tat ihr gut, die Situation noch auszuwalzen, zum Leidwesen des Winzers, der gewiß einsehen mußte, daß von seinem Benehmen kein besonderer Glanz ausging. Die Scharten, die von ihm auszuwetzen waren, mehrten sich.
    Ingrid suchte lange in der Karte. Der warme Dampf, der von den Täubchen aufstieg, wurde schwächer.
    »Laß sie nicht kalt werden«, sagte sie, einen Nebenblick auf die Tierchen werfend, noch einmal.
    Er räusperte sich.
    »Du hast wirklich nichts dagegen, wenn ich anfange?«
    »Beileibe nicht.«
    Er fing an zu essen, konnte aber nicht mehr den richtigen Appetit dabei entwickeln.
    Ingrid wählte endlich ein Pariser Schnitzel und fand es köstlich. Dieser Umschwung in ihrer Stimmungslage hatte sich jedoch erst abzuzeichnen begonnen, als Selzers Niederlage unwiderruflich feststand. Ganz verurteilen mochte sie ihn freilich noch nicht, dazu war ihr das Gespräch, das sie mit dem Eisenbahner geführt hatte, noch allzu gegenwärtig.
    Im Buch des Schicksals stand geschrieben, daß dieser ganze Abend für Selzer keinen günstigen Verlauf nehmen sollte. Doppelbetten wurden keine benötigt. Bald teilte nämlich der Kellner dem Winzer mit, daß er am Telefon verlangt werde.
    »Von wem?«
    »Von Ihrer Tochter, Herr Selzer.«
    »Die ist doch in Bernkastel.«
    »Sie ruft auch aus Bernkastel an, Herr Selzer.«
    Idiot, dachte Ingrid.
    »Entschuldige mich«, sagte Selzer zu ihr, sich erhebend, und als er vom Telefon zurückkam, begann er ganz ähnlich: »Du mußt mich entschuldigen, leider kann ich mich dir heute abend nicht mehr länger widmen. Da hat sich etwas angebahnt. Geschäftlich, verstehst du. Aber morgen holen wir alles nach, ja?«
    Er dachte an die Doppelbetten und hoffte, daß sie dasselbe tat. Die geschiedene Frau Rehbein aber widmete sich mit ganzer Seele ihrem Dessert, das der Ober ihr nach dem Schnitzel gebracht hatte. Es bestand aus Vanilleeis mit heißen Himbeeren.
    »Also dann«, sagte Selzer, sich räuspernd.
    »Bitte?« antwortete sie fragend, ohne von ihrem Schüsselchen aufzublicken.
    »Dann hau ich ab.«
    »Wohin?«
    »Nach Bernkastel.«
    »Ach ja.«
    »Du hast offensichtlich«, sagte Selzer, sich abermals räuspernd, »überhaupt nicht zugehört …«
    »Doch, doch.«
    »Meine Tochter hat angerufen, in einer geschäftlichen Sache. Das kann ich mir nicht durch die Lappen gehen lassen.«
    »Ich verstehe.«
    »Morgen holen wir alles nach, nicht?«
    »Das hast du schon gesagt, ja.«
    »Also dann.«
    »Auf Wiedersehen, Baptist.«
    »Wiedersehen, Ingrid.«
    Sie ist sauer, dachte er, als er zur Tür ging. Weiber sind so, sie verstehen nicht, daß Geschäfte vorgehen. Nicht einmal angesehen hat sie mich mehr. Das Eis und dieses Zeug da – Himbeeren, glaube ich – waren ihr wichtiger.
    Er kam an Brühes Tisch vorüber.
    »Gehen Sie schon, Herr Selzer?«
    »Muß weg.«
    »Und Ihre Dame, wer kümmert sich um die?«
    Der Winzer stoppte kurz.
    »Damit wir uns gleich richtig verstehen, junger Freund – von der lassen Sie die Finger! Ein für allemal, sonst fliegen Sie hier hochkant 'raus!«
    »Aber …«
    Baptist Selzer hatte sich

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