Wilder Wein
schon wieder in Bewegung gesetzt, und wenige Augenblicke später hörte man, wie draußen der Motor des Wagens ansprang, mit dem der Winzer übelgelaunt in die Uferstraße einbog, um sich Bernkastel zuzuwenden, wo es seinen Reichtum wieder einmal zu mehren galt.
Fritz Brühes Ärger verflog bald wieder. Was hat man von solchen Leuten schon zu erwarten, dachte er, denen Michelangelo kein Begriff ist? Ich werde ihm seinen Weinberg malen, und dann kann er mich mal. Mit der Frau dort drüben scheint er etwas zu haben. Ich wollte doch von der gar nichts, die wäre mir entschieden zu alt. So wie die allerdings immer noch gebaut ist, hätte sie sich freilich einen anderen suchen können als den. Ob der wohl glaubt, daß die nur auf ihn aus ist? Schön blöd, wenn er das tut. Na, nicht mein Bier.
Apropos Bier …
»Herr Ober!«
»Bitte?«
»Kann ich noch ein Pils haben?«
»Selbstverständlich.«
Der Ober brachte das Glas, es war das fünfte.
»Zum Wohle, Herr Brühe.«
»Danke. Wie heißen Sie?«
»Bitte?«
»Wie Sie heißen? Ich möchte mich nämlich mit Ihnen anfreunden, da ich ja noch länger hier wohnen werde. Deshalb würde mich Ihr Name interessieren. Darf ich ihn also erfahren?«
»Gollwitzer.«
»Wie der bekannte Professor?«
»Ja.«
»Sehr schön, Herr Gollwitzer. Sind Sie mit meinem Vorschlag einverstanden?«
»Warum nicht, Herr Brühe?« antwortete der Kellner sogar erfreut.
»Ich mag dieses dauernde ›Herr Ober‹ nicht, wissen Sie. Finde das so unpersönlich. Wann macht die Bar auf?«
»Die ist schon in Betrieb, Herr Brühe.«
»Gibt's in der auch Bier?«
»Sicher.«
»Sehr schön. Sollten Sie mich also hier plötzlich vermissen, dann wissen Sie, wo ich zu finden bin.«
»In der Bar«, nickte der Kellner feixend.
Fritz Brühe setzte sein Vorhaben bald in die Tat um.
Die Bar war klein, sie bot nur ein paar eng aneinanderstehenden Tischen Platz. Als Brühe sie betrat, stellte er fest, daß der Ober gewissermaßen den Mund zu voll genommen hatte. Von ›Betrieb‹ konnte noch keine Rede sein. Die Bar hatte zwar schon auf, aber er, Brühe, war erst der erste Gast. Die Beleuchtung ließ, wie zu erwarten, zu wünschen übrig. Sie war eben ›schummrig‹, anders gehörte sich das auch nicht. Ein Mädchen mit roten Haaren, gefärbten, löste sich aus dem fast schwarzen Schatten in einer Ecke und ging hinter die Theke. Sie entledigte sich einer brennenden Zigarette, nachdem sie noch einmal einen tiefen Zug aus dieser genommen hatte, drückte sie in einem Aschenbecher aus, richtete ihren Blick auf Brühe, der etwas unschlüssig herumsah, ob er bleiben oder wieder kehrtmachen sollte, und sagte zu ihm in aufmunterndem Ton: »Guten Abend. Ich bin Sylvia und nur für Sie da.«
»Guten Abend, Sylvia. Ich bin Fritz.«
Die Frage, ob bleiben oder nicht, war entschieden.
»Was möchten Sie trinken, Fritz?«
»Bier.«
»Bier?«
»Bier.«
War also kein Witz, dachte sie, er will wirklich dieses Gesöff. Und dazu soll ich ihm auch noch schöne Augen machen.
»Sind Sie enttäuscht, Sylvia?«
»Nein, wieso?«
»Weil ich keinen Champagner trinke.«
»Mögen Sie denn keinen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wie?«
Sylvia hatte die Augen aufgerissen und riß sie noch weiter auf, als Fritz fortfuhr: »Ich habe noch nie einen probiert, kann also nicht sagen, ob er mir schmecken würde oder nicht.«
»Sie … Sie haben noch nie …?«
»Nein.«
»Und warum … haben Sie noch nie …?«
»Ganz einfach: Weil es mir immer am nötigen Kleingeld dazu gefehlt hat, Sylvia.«
Nun fiel ihr auch noch der Unterkiefer herunter. Daß ihr das einer so ohne weiteres eingestand, hatte sie noch nie erlebt. Ihre Gäste pflegten da ganz anders geartet zu sein. Sie verlegten sich immer darauf, das Gegenteil zu erzählen. Und was hatte sich dennoch schon oft bei nicht wenigen herausgestellt?
»Wissen Sie was, Fritz?«
»Was?«
»Sie verdienen eine Prämie.«
»Wofür? Wieso?«
»Ihre Ehrlichkeit darf nicht unbelohnt bleiben.«
»Das klingt ja gerade so, als ob Sie mich belohnen wollten, Sylvia.«
Sie lachte.
»Wird wohl so sein, da ja niemand anders hier ist, Fritz.«
»Und mit was?« Mit fünf Pils intus, ging er aufs Ganze. »Mit einem Kuß?«
Einverstanden – aber nicht gar so schnell, dachte Sylvia und sagte: »Nein, mit einem Glas Champagner.«
So fing es an, und wer weiß, wie es geendet hätte, wenn nicht Sylvia, nachdem sie beide zusammen eine ganze Flasche bester französischer Produktion geleert
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