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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sekundenlang gegen ihre Lippen, löste sie dann davon und begann zögernd: »Herr Selzer gab mir vor einiger Zeit den Auftrag, unser bestes Zimmer ganz besonders gut in Schuß zu bringen …«
    Dies sagte sie nicht zu Gollwitzer, sondern zu ihren verschränkten Fingern, mit gesenktem Blick auf diese.
    Nun aber erhob sie den Blick und richtete ihn auf den Kellner.
    »Daß das nicht notwendig gewesen wäre, weiß keiner so gut wie Sie, Herr Gollwitzer, denn meine Zimmer sind immer in Schuß.«
    Der Ober nickte.
    »Herr Selzer teilte mir damals mit, daß er einen persönlichen Gast erwarte«, fuhr Frau Wagner fort. »Eine … Dame.«
    Wenn man sagt, daß jemand sprachlich stolpern kann, so war dies in gerade klassischer Weise bei Frau Wagner der Fall.
    »Eine Frau«, verbesserte sie sich.
    Auch dem ließ sie eine Korrektur folgen.
    »Eine Person.«
    Gollwitzers Mundwinkel zuckten.
    »Diese Erkenntnis, eine Person vor mir zu haben, Herr Gollwitzer …« Frau Wagner unterbrach sich: »Sie ahnen, von wem ich spreche, oder nicht?«
    Gollwitzer nickte. Frau Wagner wiederholte: »Diese Erkenntnis, eine Person vor mir zu haben, gewann ich von Anfang an. Eine Dame läßt sich nicht von einem Witwer in ein Doppelzimmer einquartieren, ohne, wie mein verstorbener erster Mann in solchen oder ähnlichen Fällen zu sagen pflegte, Lunte zu riechen.«
    Gollwitzers Mundwinkel zuckten stärker.
    »Dieser Witwer – Sie wissen, wen ich meine, Herr Gollwitzer …«
    Er nickte.
    »… und ich verlasse mich auf Ihre äußerste Diskretion in der ganzen Sache …«
    Er nickte mehrmals beruhigend.
    »… dieser Mann hat zwar für sein Handeln eine gewisse Quittung verdient, wie ich meine, aber das, was ihm schon sehr bald angetan wurde, geht zu weit. Und darüber wollte ich mit Ihnen reden, Herr Gollwitzer.«
    Der Kellner ließ seine ersten Worte in diesem Gespräch laut werden: »Was wurde ihm denn angetan, Frau Wagner?«
    »Man betrügt ihn von zwei Seiten.«
    »Von zwei Seiten?«
    »Jawohl, diese Person setzt ihm Hörner auf – und wissen Sie, mit wem?«
    »Nein.«
    »Mit dem jungen Maler, der ihm auf der Tasche liegt. Das ist der Dank von dem!«
    Andreas Gollwitzer erschrak.
    Fritz Brühe hatte nämlich inzwischen weitgehend sein Herz gewonnen.
    »Wissen Sie, was Sie da reden, Frau Wagner?«
    »Sehr gut!«
    »Hoffentlich haben Sie Beweise?«
    Hoffentlich haben sie keine, dachte er dabei.
    »Die schläft öfter bei dem auf seinem Zimmer als auf ihrem eigenen.«
    »Ich wiederhole: Haben Sie Beweise?«
    »Einen untrüglichen.«
    Verdammt! dachte er.
    »Welchen, Frau Wagner?«
    »Ihre Pillen.«
    »Was?«
    »Ihre Pillen.«
    »Können Sie mir das näher erklären?«
    »Sie wissen, wie die verpackt sind. Für jeden Tag eine. Sie hat die ihren schon zweimal beim Maler liegen lassen. Und der achtet auf so was gar nicht, räumt nichts weg. Dadurch fiel die Packung mir auf. Sie wissen, Herr Gollwitzer, daß ich selbst täglich durch die Zimmer gehe. Die Mädchen müssen ja unter ständiger Aufsicht stehen.«
    »Frau Wagner, wie wollen Sie wissen, daß diese Packung der Rehbein – von der sprechen wir doch – gehörte? Stand ihr Name drauf?«
    Sie lächelte überlegen.
    »Nein. Das war auch nicht nötig.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich habe die Packung, die bei Herrn Brühe lag, genommen, die noch vorhandenen Pillen gezählt und die Packung wieder hingelegt.«
    »Und?«
    »Anderntags fand sich die Packung bei Frau Rehbein auf dem Zimmer. Um Gewißheit zu haben, mußte ich nur wieder die Pillen zählen. Zweimal bot sich dazu sogar, wie gesagt, die Gelegenheit. Genügt Ihnen das? Oder glauben Sie, daß sich hier im Haus zufällig gleichzeitig mehrere Frauen mit dem ganz gleichen Pillenrhythmus aufhalten?«
    Andreas Gollwitzers Mundwinkel zuckten nicht mehr. Mit großen Augen blickte er Frau Wagner an. Beängstigende Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
    Ich habe ja, erinnerte er sich, ihren ersten Mann nicht gekannt. Damals arbeitete ich noch in der Schweiz. Aber mit ihrem zweiten sprach ich oft. Ich empfand große Sympathie für ihn. Auch er sammelte Streichholzschachteln des vorigen Jahrhunderts. Er war ein stiller, in sich gekehrter Mann. Über Häusliches sprach er nie. Mit achtundvierzig starb er. Entschieden zu früh, dachten wir alle. Sollten wir uns geirrt haben? Würde er uns, wenn wir ihn heute noch fragen könnten, vielleicht sagen, daß wir keinen Grund gehabt hätten, ihn zu bedauern?
    »Was sehen Sie mich so an, Herr Gollwitzer?«
    »Ich frage

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