Wilder Wein
Illustration ihrer Worte rieb das lebenserfahrene Barmädchen Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Sylvia …«
»Du bist ein Idiot, Fritz!«
»Sylvia, und wenn ich dir sage, daß du vielleicht recht hast …«
»Nicht vielleicht – sicher!«
»… daß du sicher recht hast, was dann?«
»Wie, was dann?«
»Kann ich dann bis zur Polizeistunde warten?« Sie mußte sich das überlegen, doch als sie ihn eine Weile angeblickt hatte, schwand ihre ganze Härte, an der festzuhalten sie sich geschworen hatte, und sie antwortete plötzlich wieder lächelnd: »Ja, du Dummkopf.«
»Schon zurück?« fragte vier Tage später Fritz überrascht Anne, als er, wie üblich, vor seiner Leinwand saß und hingegeben malte und das Mädchen, das sich ihm unbemerkt genähert hatte, plötzlich vor ihm stand. Sie sah süß aus, einfach hinreißend. Wieder trug sie ihre Lieblingsausstattung – einen hübschen Rock, eine hübsche Bluse –, und sowohl unter jenem als unter dieser war, wie Männer im offenen Gespräch solche Fakten zu umreißen pflegen, ›allerhand los‹. Schlagartig setzten Fritz Brühes Tagträume ein, doch er wollte ihnen keinen Raum mehr geben. Er glaubte, mit sich ins reine gekommen zu sein.
»Es war toll«, sagte sie.
»Das glaube ich.«
»Madrid ist eine tolle Stadt.«
»Daran zweifle ich nicht.«
»Die Spanier sind tolle Leute.«
»Gute Stierkämpfer sind sie, habe ich mir sagen lassen.«
»Und der Prado – einfach toll!«
»Anne«, sagte er sarkastisch, »wissen Sie, mit was Sie zurückgekommen sind?«
»Mit was?«
»Mit der Tollwut.«
»Sehr witzig«, sagte sie eingeschnappt. »Was ist Ihnen denn heute schon über die Leber gelaufen, weil Sie so bissig sind?«
»Nichts.«
»Dann lassen Sie mir doch meine Begeisterung.«
»Ich lasse Ihnen alles: die Stadt, die Leute, die Stierkämpfer – nur eines neide ich Ihnen …«
»Was?«
»Den Prado.«
»Das verstehe ich«, sagte sie rasch versöhnt. »Aus Ihnen spricht der Maler.«
»Natürlich.«
Sie sah ihn mit ihren wunderbaren Augen warm an. Durch und durch ging ihm das.
»Glauben Sie mir«, beteuerte sie, »ich habe mir sehr gewünscht, daß Sie dabei wären. Oft genug habe ich an Sie gedacht, gerade angesichts dieser herrlichen Bilder.«
»Sie hatten doch jemanden dabei.«
»Ach«, erwiderte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung, »der geht doch nicht in den Prado.«
Dazu konnte er nur schweigen.
Nicht mehr schweigen wollte er aber, als sie fortfuhr: »Was sagen Sie zu meiner Idee, daß Sie auf Ihr Honorar für mein Porträt vielleicht doch nicht verzichten und es anlegen für eine Reise nach Madrid?«
»Nein!«
»Warum nicht? Ich habe mir das auf dem Rückflug ausgedacht. Es ginge. Das Honorar würde ausreichen, es beträgt zweitausend Mark …«
»Nein!«
»Fritz, so überlegen Sie doch …«
»Nein, sage ich!«
Seine Unnachgiebigkeit in diesem Zusammenhang hatte Anne schon einmal den Kragen platzen lassen; jetzt war es wieder soweit.
Anne begann zu schimpfen:
»Himmel Herrgott, was sind Sie bloß für ein sturer Bock! Sie schaden sich doch nur immer selbst. Man will Sie zur Vernunft bringen, und was machen Sie? Sie stoßen einen vor den Kopf. Ich möchte nur wissen, warum ich mich mit Ihnen dauernd rumärgere.«
»Eben, das möchte ich auch wissen.«
»Treiben Sie's nicht zu weit, zwingen Sie mich nicht zum letzten Mittel!«
»Tut mir leid.«
»Ich bringe Sie nach Madrid, das garantiere ich Ihnen.«
»Ausgeschlossen!«
»Doch, ich bringe Sie!«
»Wie denn?«
Zornig blickte sie ihn an. Dazu paßte aber gar nicht, daß sie erwiderte: »Indem ich mitfahre.«
Er stand wie vom Donner gerührt.
»Überlegen Sie sich das«, setzte sie hinzu, wandte sich ab und ging rasch den Berg hinunter.
An diesem Tag machte Brühes Arbeit keine besonderen Fortschritte mehr. Immer wieder ertappte er sich dabei, daß sein Pinsel stillstand, weil zwischen demselben und seinem Schöpfergeist die Verbindung abgerissen war.
Ingrid Rehbein hörte in ihrem Zimmer, in dem sie einer Freundin in Koblenz in einem Brief schrieb, daß sich ihr Aufenthalt in Wehlen voraussichtlich noch ausdehnen werde, einen Wagen auf den Parkplatz fahren.
Ist das nicht der Porsche? fragte sie sich. Selbst Frauen können dafür ein Ohr haben.
Sie lief ans Fenster. Richtig, Herr Zumberg war gerade dabei, sich aus der Enge seines maßgeschneiderten Fahrersitzes zu winden. Die Rehbein ließ ihren Brief Brief sein, stellte sich rasch vor den Spiegel, zupfte ein
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