Wilder Wein
notwendig anzusehende Maß physischer Wirksamkeit. Und dann pflegte es bei der Polizei regelmäßig zu heißen: »Herr Küppers, gegen Sie ist wieder mal eine Körperverletzung anhängig.«
»In Ausübung meiner Pflicht«, antwortete Schang, auf den das Behördendeutsch schon abgefärbt hatte, auch regelmäßig mit Würde.
»Herr Wachtmeister«, erwiderte er heute, »der Grund meines Erscheinens ist diesmal ein anderer. Ich bin nicht vorgeladen.«
»Das weiß ich. Deshalb wundere ich mich, Herr Küppers.«
»Ich möchte eine Anzeige erstatten.«
»Sie? Eine Anzeige?«
»Aber keine offizielle.«
»Keine offizielle? Also eine inoffizielle, wollen Sie sagen?«
»Ja.«
»Inoffizielle Anzeigen gibt's nicht, Herr Küppers. Entweder – oder, verstehen Sie?«
»Sicher muß es die geben! Lassen Sie mich es Ihnen erklären: Ich meine eine Anzeige, bei der ich im Hintergrund bleibe.«
»Aha, eine anonyme Anzeige.«
»So was, ja.«
»Das hat zwar auch wenig Aussichten, aber sagen Sie mir mal, gegen wen sich denn diese Anzeige richten soll.«
»Gegen einen Herrn Hermann Zumberg.«
»Hermann Zumberg? Ist das nicht der Verlobte von Anne Selzer?«
»Von Fräulein Anne Selzer«, sagte Schang mit Betonung, den Wachtmeister dadurch zu etwas weniger Vertraulichkeit ermahnend. »Das ist auch der Grund, weshalb ich im Hintergrund bleiben möchte.«
»Und was soll der Gegenstand der Anzeige sein?«
Und nun verlor Jean Küppers die Beherrschung.
»Lebensgefährliche Raserei mit seinem blöden Porsche!« stieß er hervor.
»Also Geschwindigkeitsüberschreitung, meinen Sie«, kleidete der Wachtmeister das in die ihm richtig erscheinenden Worte.
»Ja.«
»Wann?«
»Ständig.«
»Wo?«
»Überall.«
»Herr Küppers«, seufzte der Wachtmeister, »damit können wir nichts anfangen – von der gewünschten Anonymität Ihrer Anzeige einmal ganz abgesehen.«
»Was heißt das?« regte sich Schang auf. »Der Mann ist eine Gefahr für alle. Habt ihr nicht gehört, was erst vor kurzem auf der Strecke nach Bernkastel um ein Haar wieder passiert wäre? Und unser Fräulein Selzer saß neben ihm. Wenn das nicht aufhört, bezahlt die es noch mit ihrem Leben. Um ihn wäre es ja nicht schade, aber um sie. Darum geht's mir.«
Die Katze war aus dem Sack.
»Nehmt ihm den Führerschein ab«, fuhr Schang fort, »mehr will ich nicht. Einsperren müßt ihr ihn ja gar nicht. Führerscheinentzug genügt. Ich passe dann schon auf, daß er hier nicht ohne Führerschein rumkutschiert.«
Ihm zu erklären, daß das alles nicht so einfach wäre, fiel dem Wachtmeister nicht leicht. Da brauche man konkrete Angaben. ›Ständig‹, ›überall‹ usw. genüge nicht. Nötig sei: exakt wann, wo, wie? Zum Beispiel: um 16.32 Uhr – bei Kilometer 4 zwischen Wehlen und Bernkastel – Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit geschnitten.
»Verstehen Sie das, Herr Küppers?«
»Ich verstehe nur«, antwortete Schang, »daß ihr da nichts machen wollt.«
»Daß wir da nichts machen können, Herr Küppers.«
»Der darf also weiterhin eine Gefahr für alle sein?«
Der Wachtmeister zuckte die Achseln.
»Kann denn der alles machen?« regte sich Schang noch einmal auf. »Zuletzt habe ich ihn gesehen, daß er zu allem hin auch noch fremdgeht.«
»Fremdgeht?« So etwas stand zwar nicht unter gesetzlicher Strafe, aber es interessierte den Wachtmeister immer.
»Mit einer aus Koblenz, die sich unser Chef angelacht hat. Die zwei glauben wohl, ich bin doof, als ich sie gesehen habe. Aber das fällt unter Ihr Dienstgeheimnis, Herr Wachtmeister, sonst würde ich es Ihnen nicht erzählen. Als die ankam, habe ich ihr noch den Koffer getragen. In die Mosel hätte ich sie stoßen sollen mitsamt ihrem Koffer!«
Der Wachtmeister hob den Finger.
»Sind Sie froh, daß Sie das nicht getan haben, Herr Küppers. Uns genügen die bisherigen Köperverletzungsanschuldigungen gegen Sie, denen die mildesten Seiten abzugewinnen uns Mühe genug kostet und sicher noch lange kosten wird. Da muß kein Totschlag oder noch Schlimmeres hinzukommen.«
Als Schang aus dem Revier auf die Straße trat, brummte er in klassischer Selbstgesprächsmanier: »Was habe ich nur dauernd gesagt? Du mußt das in die eigenen Hände nehmen, Schang.«
Anne und Fritz machten es einander nicht leicht.
Schade, dachte sie, wenn sie ihn beobachtete, er ist ein netter Kerl, sympathisch, sieht gut aus, man möchte mit ihm zusammen sein, aber nur vorübergehend, ein Mann fürs Leben ist er nicht. Die Frau,
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