Wildes Begehren
Felipe stieg auf die Bremse, während Conner, noch ehe der Wagen schlitternd zum Stillstand kam, durch die offene Tür sprang und sich dabei die Kleider vom Leib riss.
Isabeau blinzelte vor Schreck über die Schnelligkeit, mit der er sich gleichzeitig auszog und verwandelte. Zwar hatte sie Jeremiah üben sehen und auch mitbekommen, wie Felipe mit ihm arbeitete, aber auf ein so rasantes Tempo war sie nicht gefasst. Hätte sie nichts über Leopardenmenschen gewusst, hätte sie ihren eigenen Augen nicht getraut und wohl nicht geglaubt, dass sie gerade noch einen Menschen gesehen hatte.
Leonardo und Rio waren auch schon draußen, bevor der Wagen richtig stand, doch sie suchten Rücken an Rücken schussbereit die Bäume nach Heckenschützen ab, kontrollierten mit scharfen Augen jeden Zentimeter des Kronendachs und sondierten mit ihren animalischen Sinnen die Umgebung.
Conner war über dem anderen Leoparden, ehe der ihn überhaupt bemerkte, und fegte das gereizte Raubtier mit einem einzigen mächtigen Hieb von Jeremiahs blutendem Körper herunter. Während die beiden Leoparden sich zornig fauchend mit ausgefahrenen Krallen aufeinanderstürzten, lief Elijah zu Jeremiah.
»Verdammt, reiß dich zusammen, Isabeau!«, blaffte Rio. »Schnapp dir eine Waffe.«
Seine Stimme riss sie aus ihrem Schock. Ohne zu zögern nahm sie ein Gewehr aus der offenen Kiste auf dem Boden und sprang aus dem Wagen. »Was soll ich machen?«
»Geh so nah ran, wie möglich. Und wenn du zum Schuss kommen kannst, nutz die Chance«, befahl Rio.
Mit klopfendem Herzen rannte Isabeau zum Kampfplatz. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Elijah Jeremiah hochhob und ihn über die Schulter warf. Der Junge war voller Bisswunden, Blut lief ihm an Arm und Rücken hinunter. Als Elijah an ihr vorbei zum Wagen zurückhetzte, sah Isabeau voller Schreck, dass Jeremiah nicht mehr zu atmen schien.
Ein blutüberströmter Suma verbog sein geschmeidiges Rückgrat und wollte sich gerade im Sprung drehen, als Conner sich auf die Hinterbeine stellte, ihm seine Krallen in die Hinterläufe bohrte und ihn zu Boden riss. Suma klappte fast in der Mitte zusammen und schlug die kräftigen Tatzen in Conners Hals und Flanke. Der rollte sich ab, rammte Suma und brachte ihn erneut zu Fall, sodass die beiden Leoparden sich in einem Gewirr aus Pelz, Klauen und Zähnen über den Boden wälzten. Ihr Gebrüll erfüllte den ganzen Wald.
Kaum hatte Isabeau ihr Gewehr angelegt, knallte ein Schuss und Borke splitterte aus dem Baumstamm, vor dem Conner eben noch gestanden hatte. Wenn er sich nicht abgerollt hätte, wäre er wohl in den Kopf getroffen worden. Hastig richtete Isabeau den Blick auf die Bäume und versuchte herauszufinden, woher der Schuss gekommen war.
Rio und Leonardo, die offenbar weniger Schwierigkeiten hatten, der Flugbahn der Kugel zu folgen, überzogen die Baumwipfel in der Ferne bereits mit Streufeuer.
»Erschieß den Hurensohn, Isabeau«, brüllte Rio.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den wilden Kampf der beiden Leoparden, die in einer tödlichen Umklammerung mit peitschendem Schweif über den Boden
rollten und furchterregende Laute ausstießen. Isabeau fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen, als erlebte sie das alles nicht wirklich und wahrhaftig. Es gab keine Möglichkeit zu schießen, ohne dass sie es riskierte, Conner zu verletzten oder gar zu töten.
»Ich versuch’s doch«, blaffte sie zurück.
Die beiden Leoparden waren so ineinander verkeilt, dass Isabeau den einen nicht vom anderen unterscheiden konnte. Sie sah nur ein Meer aus Flecken, die bei dem Tempo, mit dem die beiden immer wieder aufeinander losgingen, schwindelerregend verschwammen. Selbst die Augen wirkten wie zwei Punkte inmitten Tausender Rosetten, nur dass sie sprühten vor Mordlust und Tücke. Einen so verbissenen Zorn hatte Isabeau noch nie gesehen.
Conner kämpfte gegen den Mann, der Marisa Vega getötet hatte, seine Mutter, brachte den Mörder durch seine schiere Wut ein ums andere Mal zu Fall und zerfleischte ihm Bauch und Flanken. Suma wurde ängstlich und wollte fliehen, doch das ließ Conner nicht zu. Die eigenen schmerzenden Wunden schien er nicht zu spüren, offenbar war er wild entschlossen, Suma buchstäblich in Stücke zu reißen. Nur die Kraft und Erfahrung eines männlichen Leoparden im besten Alter bewahrten Suma davor, auf der Stelle getötet zu werden. Offenbar war er sich seiner ausweglosen Lage bewusst, auch wenn Ottila, trotz des Ablenkungsfeuers
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