Wildes Blut
nicht, dass sie jetzt ging.
Nicholas konnte sich nicht erinnern, wann er sich jemals so befriedigt gefühlt hatte. Sie war unruhig und unbefriedigt geblieben, das wusste er, aber in dieser Nacht konnte er nichts dage gen tun. Ihr Körper war jetzt nachgiebig, und es würde eine Zeitlang dauern, sie zu lehren, die Lust, die sie empfand, anzunehmen und ihrem eigenen Bedürfnis nachzugeben. Mit diesen angenehmen Gedanken glitt er in den Schlaf hinüber.
Mercedes vernahm seine n gleichmäßigen Atem und wusste, dass er eingeschlafen war. Sie sehnte sich verzweifelt danach, sein Bett zu verlassen, allein zu sein und über das nachzudenken, was sich in der kurzen Zeit seit seiner Rückkehr ereignet hatte, um es einzuordnen. Die Kerzen waren weiter heruntergebrannt, und eine nach der anderen verlöschte nun. Der Raum war in das silbrige Mondlicht getaucht. Noch immer hielt er sie fest im Arm. Durfte sie es wagen, ihn fortzuschieben und aus dem Bett zu gleiten?
Behutsam setzte sie sich auf und schlug die Bettdecke zurück. Er bewegte sich im Schlaf, und sie erstarrte. Dann entspannte er sich wieder und flüsterte etwas, das wie Englisch klang. Aber natürlich konnte das nicht sein, denn Lucero verachtete diese Sprache und verstand sie nur schlecht. Man hatte ihn gezwungen, etwas Französisch zu lernen, aber er sprach es ungern und nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
Vielleicht hatte er während seiner Kriegsjahre auch Englisch gelernt. Seine Erfahrung hatte ihn gewiss sehr verändert. Sie konnte nicht umhin, ihn zu betrachten, während er schlief. Nun, da seine hypnotisierenden, unergründlichen Augen geschlossen waren, konnte sie sich an seiner männlichen Schönheit satt sehen, ohne Angst vor seinem Spott haben zu müssen. Und plötzlich erkannte sie, dass sie ihn ansehen, ihn sogar berühren wollte, aber das hätte ihn vielleicht geweckt, und das wäre peinlich gewesen.
Sie würde sich damit begnügen, ihn nur mit den Augen zu inspizieren. Im Schlaf entspannt, wirkte sein Gesicht jünger, der harte, gefährliche Ausdruck war verschwunden. Irgendwie sah er verändert aus. Lag es vielleicht an der Narbe? Aber gewiss konnte das nicht alles sein. Sie betrachtete seine hohe Stirn mit den dunklen Brauen und den dichten schwarzen Wimpern, die perfekte, gerade Nase, die hohen Wangenknochen und den Mund. Allein der Gedanke, was er mit diesem Mund alles getan hatte, ließ ihren ganzen Körper erschauern.
Sie musste fort von hier. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass sie etwas sehr Dummes tun würde, wenn er erwachte und sie noch einmal nahm. Etwas wirklich sehr Dummes.
6. KAPITEL
Nicholas erwachte von einem Hahnenschrei, dann blinzelte er, drehte sich auf dem breiten Bett herum und setzte sich auf.
Der köstliche Duft von Lavendel haftete noch in den zerwühlten Laken, vermengt mit den Gerüchen der Lust. Aber Mercedes war fort. Er fühlte sich einsam, und das überraschte ihn.
Gewöhnlich blieb er nicht die ganze Nacht über mit einer Frau zusammen, die er geliebt hatte. Eigentlich hatte er das noch nie getan. Doch mit der Frau, die jeder für seine Gemahlin hielt, hatte er in einem Bett schlafen wollen.
"Sie ist meine Gemahlin", sagte er, und dann erst fiel ihm auf, wie das klang. Wollte er sich selbst davon überzeugen, dass sie zu ihm gehörte? Sie gehörte seinem Bruder, der sie ihm genauso gedankenlos überlassen hatte wie Peltre. Lucero hatte Mercedes nicht geschätzt, aber Nicholas schätzte sie wahrscheinlich mehr, als gut für ihn war.
Er war mit diesem Rollentausch einverstanden gewesen, um zusammen mit Gran Sangre auch Ehrbarkeit zu erlangen. Er hatte das Land haben wollen und Anerkennung, dass er dorthin gehörte, dass er das Recht hatte, dort Patron zu sein. Mercedes war nur ein Beiwerk dieses Planes gewesen. Die "bleiche kleine Jungfrau", die sein Bruder ihm beschrieben hatte, hatte ihn genauso wenig interessiert wie Innocencia.
Aber das war, ehe er die Patrona von Gran Sangre gesehen und erkannt hatte, wie sehr sein Bruder sich irrte. Das ist keine Überraschung, dachte er bei sich, wenn man Luceros Geschmack bedenkt. Es war eine Überraschung, dass Mercedes eine Schönheit war, geistvoll und klug, doch die Art, wie er von ihr angezogen wurde, konnte für ihn gefährlich werden.
"Sei wachsam, alter Junge", ermahnte er sich finster, als er das Bettuch zurückwarf und aufstand. Der größte Fehler, den er begehen konnte, war, sie spüren zu lassen, wie viel Macht sie über ihn hatte. Es
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