Wildes Blut
Beecham war schwach, einfach schwach. Warum India, eine gute, fleißige und stolze Frau, je so einen Mann heiraten konnte, würde Fremont nie begreifen.
Rachel wußte es, da war er sich sicher. Aber im Gegensatz zu anderen Weibern redete sie nicht über die ihr anvertrauten Geheimnisse anderer, also blieben Indias Motive für ihre Heirat für ihn im dunkeln. Egal. Was immer sie auch gewesen waren, sie war zu gut für ihn gewesen. Die ganze Gegend hatte es gewußt. Es war wirklich ein Jammer, daß sie einfach so gestorben war, als hätte sie ihr letztes Quentchen Kraft dem Baby geopfert. Der arme kleine Wurm sah nicht sonderlich gesund aus. Richtig mickrig war das Kind, dachte er nach einem Blick auf das Baby in Rachels Arm. Es müßte schon sehr viel Glück haben, wenn es seine Mutter lange überleben sollte, dachte er und hoffte insgeheim, daß seine Enkelin es nicht allzu liebgewinnen würde.
Als spüre sie die unschönen Gedanken ihres Großvaters, drückte Rachel Indias Neugeborenes fester an die Brust und schützte es so gut wie möglich vor dem unliebsamen Wetter. Trotz mehrerer Decken und ihres Umhangs, in den sie ihn gewickelt hatte, brüllte Tobias ohne Unterlaß schon seit Beginn der Beerdigung. Rachel schaukelte den Säugling und tätschelte ihm beruhigend den Rücken, und ihre Augen sprühten vor Wut bei dem Gedanken, daß der mutterlose Wurm und seine sieben Geschwister der Gnade Jonathan Beechams überlassen werden könnten.
Obwohl der Mann acht lebende Kinder gezeugt hatte, wußte er gar nichts über ihre Pflege. Und wenn die kleine Eve nicht so gescheit gewesen wäre, vor drei Tagen nach Rachel zu schicken, wäre Tobias verhungert – oder wohl eher erstickt –, denn Rachel traf gerade rechtzeitig im Lehmhaus der Beechams ein, um den trunkenen Jonathan daran zu hindern, einen Löffel kalten, klumpigen Haferbrei in den Hals des vor Hunger schreienden Neugeborenen zu stopfen.
Bei der Erinnerung daran kochte sie vor Wut, und sie überlegte ernsthaft, ob der Marshal von Wichita, der nächstgrößeren Stadt, sie wirklich hängen würde, wenn sie Jonathan mit ihrem Gewehr einfach über den Haufen schoß. Sie kam widerwillig zu dem Schluß, daß Marshal Mike Meagher, ungeachtet der Tatsache, daß sie eine Frau und Jonathan ein unfähiger Vater war, seine Pflicht angesichts eines Mordes tun würde. Rachel hoffte, Jonathan würde im Rausch irgendeine Saloontreppe hinunterfallen und sich das Genick brechen, damit seine Kinder nicht seiner Autorität unterstellt würden. Doch dann tadelte sie sich für diese sündigen Gedanken (Rachel hatte hohe moralische Grundsätze, wenn sie auch gelegentlich ein bißchen eigen waren), denn im Lauf der Jahre hatte sie festgestellt, daß die schrecklichen Dinge, die man anderen wünschte, meist denen, die sie ihnen wünschten, passierten.
Und da sie sehr abergläubisch war, schickte sie schnell ein Stoßgebet zum Himmel und sagte Gott, sie wolle ja nicht wirklich, daß Jonathan etwas zustieß. Außerdem, was würde aus den Beecham-Kindern werden, wenn ihm jetzt etwas passierte?
Sicher, dachte Rachel, würden sie wegen ihrer engen Freundschaft mit India, wie diese es auch sicher gewollt hätte, ihrer Obhut übergeben werden. Rachel wußte, daß Jonathan keine lebenden Verwandten hatte, und daß auch India nur einen jungen Halbbruder gehabt hatte. Aber demnach zu schließen, was India ihr erzählt hatte, war er das schwarze Schaf der Familie.
Indias Vater war es nicht gelungen, ihren Halbbruder so wie sie seinem eisernen Willen zu unterwerfen, und so hatte er den Sohn schließlich aus dem Haus geworfen und enterbt, weil er ein Tunichtgut war. Der Sohn aber hatte unbekümmert und ohne Reue sein Lotterleben weitergeführt. Indias strenger Vater, der nicht verzeihen konnte, hatte daraufhin den Namen des Sohnes aus der Familienbibel gestrichen, ihn für tot erklären lassen und India verboten, weiterhin Kontakt mit ihm zu halten. Obwohl sie den Befehl ihres Vaters mißachtete, hatte India ihren Halbbruder viele lange Jahre nicht gesehen, denn kurz nachdem ihr Vater ihn verstoßen hatte, war der Sohn in die Konföderierte Armee eingetreten und hatte New Orleans verlassen. Er war erst nach Ende des Krieges wieder zurückgekehrt. Später hatte India, die inzwischen in Kansas war, erfahren, daß ihr Halbbruder wegen eines skandalösen Duells von New Orleans nach Texas hatte fliehen müssen. Seitdem hatte sie nur noch ganz selten von ihm gehört.
Deshalb konnte Rachel sich damit
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