Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
Vom Netzwerk:
Schließlich klatschte er auf den sägespänebedeckten Boden. Seine Augen starrten ins Leere, und der Zigarrenstumpen hing von seinen gelben Zähnen.
    Slade drehte sich blitzschnell mit dem Rücken zur Wand. Er hielt seine beiden Revolver mit starker, sicherer Hand, und einer der langen Silberläufe rauchte noch. Seine mitternachtsblauen Augen streiften auf der Suche nach Widerstand durch die Bar, aber es gab keinen. Slade war trotzdem immer noch auf der Hut. Gleich und gleich gesellt sich gern, sagte man, und er war ein Habicht in einem Nest voller Geier – unter denen der Dekan doch ein ziemlich beachtlicher Bussard gewesen war.
    »Reißt ihm die Ärmel hoch!« rief Slade den Männern am umgefallenen Pokertisch mit einer Geste auf den toten Dekan zu.
    Nach kurzem Überlegen gingen zwei Männer murrend zu der Leiche und zerrten die Ärmel hoch. Drei Karten flatterten zu Boden.
    »Das dreckige Schwein!« zischte einer der Männer und versetzte der Leiche einen Tritt. »Er hat mir hundertfünfzig Dollar abgeknöpft – und hat die ganze Zeit falsch gespielt! Sieht aus, als hättest du uns einen echten Gefallen getan, Maverick!«
    »So sehe ich’s auch«, bemerkte Slade trocken und steckte seine Peacemaker in die Halfter, da kein Grund mehr bestand, sich gegen das Gesindel im Red Garter weiter zu verteidigen.
    Er hob das Geld vom Boden auf, legte die Scheine sorgfältig zusammen und steckte sie in die Tasche – die Münzen ließ er liegen. Dann setzte er energisch seinen schwarzen Sombrero auf, streifte seinen schwarzen Staubmantel über, schnitt eine Grimasse, bückte sich und hievte den beachtlichen Leichnam des Dekans auf seine Schultern. Der Zustand des Mannes spielte keine Rolle, in Dodge City war der Mann 250 Dollar wert, und diese Belohnung wollte Slade sich nicht entgehen lassen. Ohne einen Blick – nicht einmal auf Lolly – schlenderte er wortlos auf die geschlossenen Türen des Red Garter zu, und seine Silbersporen klirrten laut durch die Stille.
    Vor dem Saloon hämmerte der Wind mit eisigen Fäusten auf Slade ein. Er zog seinen Hut tiefer ins Gesicht, schlug den Kragen hoch und machte sich dann auf den Weg, die menschenleere Hauptstraße hinunter.
    »Mr. Maverick! Mr. Maverick!«
    Beim Klang der Stimme, die seinen Namen rief, drehte Slade sich um und sah, wie ein Junge aus der Tür einer dunklen, verfallenen Hütte auf ihn zustürmte. Es war Timothy, der uneheliche Sohn einer Prostituierten. Er verdiente sich ein bißchen Taschengeld mit Botengängen, Aufkehren und anderen Gelegenheitsarbeiten in der Stadt. Eine seiner selbstauferlegten Aufgaben war es, täglich zum Galgenbaum zu gehen und den dort deponierten Postsack abzuholen, denn nicht einmal die Briefträger des United States Post Office wagten sich nach Dry Gulch.
    »Mr. Maverick«, keuchte Timothy mit hochrotem Kopf, als er Slade erreicht hatte. Daß der Junge nichts Ungewöhnliches an der Leiche über Slades Schulter fand, sprach Bände über die Moral der Stadt. »Der Brief ist gerade für Sie gekommen«, erklärte ihm Timothy. »Er ist schon Monate unterwegs – das sieht man am Umschlag, sehen Sie –, also hab’ ich gedacht, Sie sollten ihn besser gleich kriegen.«
    »Danke«, sagte Slade, ließ die schwere Leiche zu Boden fallen und warf dem Jungen einen Vierteldollar zu, den dieser trotz des Windes geschickt auffing.
    Nachdem Timothy gegangen war, riß Slade den Brief auf und las die verworrene, tränenverschmierte Botschaft darin. Dann fluchte er lange und ausdauernd. Er knüllte den Umschlag und die beiden Seiten daraus zu einem Ball, den er in die Tasche seines Staubmantels stopfte. Dann hob er den Leichnam über den schweren Wallach des Dekans, band sein eigenes Pferd vom Pfosten los und stieg auf. Mit dem Wallach am langen Zügel, gab Slade seinem Hengst die Sporen und ritt mitten in den Angriff des Blue Norther.
    Aus einem der kleinen oberen Fenster des Red Garter beobachtete Lolly mit hängenden Schultern und traurigem Herzen, wie er aus der Stadt galoppierte. Dann drehte sie sich langsam um und begann, sich für den verschlampten, brutalen Kerl auszuziehen, der jetzt auf ihrem schwarz angelaufenen Messingbett lag.
    Es war Weihnachten, und die Weihnachtsabendstimmung von Dry Gulch war typisch.

3. KAPITEL
Prärie, Kansas, 1875
    Der Tag war trüb und bleiern, und die dunklen Wolkenmassen, und das stete Schneetreiben machten ihn noch düsterer. Die weißen Flocken waren ein scharfer Gegensatz zu den schwarzen Kleidern der

Weitere Kostenlose Bücher