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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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Annehmlichkeiten.
    Schon bald konnte sie sich damit brüsten, mehr als 175 Gebäude zu haben, darunter drei Kirchen, zwei Drugstores, sechs Schreinereien, zwei Restaurants, drei Hotels, zwei Billardsalons und vier Immobilienbüros sowie ein Bekleidungsgeschäft (den New York Store) und zwei Kutschenunternehmer (die Southern Kansas und die Kansas Stage Company). Außerdem wurden zahlreiche Bäume gepflanzt, weitläufige Viehhöfe angelegt und eine eigene Eisenbahnlinie gegründet (die Wichita & Southwestern). Das lockte den Verleger Marshall Murdoch aus Burlingame an, der eine Tageszeitung gründete, den Wichita Eagle, der aber im Konkurrenzkampf mit dem wöchentlich erscheinenden Wichita Beacon lag.
    Die Stadt hatte natürlich auch ihre Ärzte, Anwälte und Lehrer, obwohl keiner von ihnen so respektiert wurde wie die Geschäftsleute. Das war verständlich, da die meisten Ärzte keinen Universitätsabschluß hatten und, um ehrlich zu sein, echte Quacksalber waren; die Anwälte prügelten sich des öfteren während der Prozesse, und die sogenannten Lehrer hatten oft weniger Schulbildung als ihre Kinder.
    Doch das Chaos wurde nicht lange geduldet. Verordnungen wurden erlassen, die Recht und Gesetz bringen sollten. Trunkenheit, ungebührliches Verhalten und das Abfeuern einer Schußwaffe innerhalb der Stadtgrenze sowie körperliche Übergriffe wurden mit Strafen in Höhe von zehn, fünfundzwanzig und fünfzig Dollar geahndet. Der Verkauf von Schnaps am Sonntag wurde ausnahmslos verboten, also mußte man schon die Schläue eines Kojoten haben, wenn man am Sabbath seinen Durst stillen wollte.
    Aber auch Wichita konnte trotz aller Vorausschau und guter Absichten nicht allen Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen. Denn der Fortschritt brachte auch seine Nachteile mit, und Wichita bildete keine Ausnahme. Die Stadt wuchs in vieler Hinsicht nach wohldurchdachten Plänen – und in anderer wieder gar nicht so, wie die Gründungsväter sich das vorgestellt hatten. Am Westufer des Big Arkansas befand sich der größte Schandfleck der ansonsten relativ anständigen und gesetzestreuen Stadt – der unvermeidliche Rotlichtbezirk. Und ausgerechnet dieser unschöne Vorort war es, der Wichita den zweifelhaften Ruf einbrachte, eine wilde gesetzlose Viehtreiberstadt zu sein, in der zu jeder Tages- und Nachtzeit die Hölle los war und tödliche Revolverduelle an der Tagesordnung waren. »West Wichita« oder »Delano«, wie es öfter bezeichnet wurde, dieses Viertel der Gewalt und der Laster, war Ziel vernichtender Kritik jedes Politikers, der sich in der Öffentlichkeit als Moralist zeigte (gleichgültig, wie oft er selbst, heimlich natürlich, die verwerflichen Früchte genoß), und Gegenstand der Entrüstung für jede gottesfürchtige, anständige Frau in der Stadt.
    Rachel Wilder gehörte zu den letzteren. Deshalb saß sie auch wütend und beschämt auf ihrer Stute Sunflower, die bis zu den Knöcheln im Schlamm auf einer von Delanos breiten Straßen vor dem Silver Slipper stand. Vor Kälte klapperten ihr die Zähne, denn sie war bis auf die Haut durchnäßt von dem winterlichen Regen; ihre Stimme war heiser, weil sie in höchst undamenhafter Manier Jonathan Beecham lauthals aufforderte, sofort herauszukommen.
    Sie wußte, daß er sie gehört hatte, denn ab und zu taumelte er zu einem der Fenster im ersten Stock des Saloons, riß es auf und brüllte ihr trunken zu, zu verschwinden. Er hatte gerade seinen dritten Auftritt.
    »Hau ab, hau ab, Miss Hochnäsig Wilder, schleich dich!« brüllte er zu ihr hinunter und wedelte dabei bedrohlich mit seiner halbleeren Whiskyflasche. »Geh nach Haus – hick – laß mich in Ruh’! Verdammtes – hick – Luder, misch dich nicht ein! Wer, zum Teufel – hick – hat dich zu meinem Aufpasser ernannt? Du bist nicht meine Frau!« Er nahm einen langen, gierigen Zug aus seiner Whiskyflasche. Dann wischte er sich seinen sabbrigen Mund am Ärmel ab. »Du hast ja überhaupt keinen Mann, du ausgetrocknete alte Pflaume! Hast du mich gehört, du Scheiß-Wohltäterin? Du hast kein Recht, mir zu sagen, was ich tun soll. Also hau jetzt ab. Du, du – störst mich mit der hübschen, kleinen – hick – Emmalou hier …« Er zerrte die Dirne an sich, die er sich gestern abend gekauft hatte, und begann frech, sie zu küssen und zu befummeln. »Und das mag sie gar nicht, stimmt’s, Schätzchen?« Er zwinkerte der Hure mit einem stupiden Grinsen auf dem Gesicht zu, bei dem Gedanken an seine sexuelle Potenz, und wie

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