Wildes Blut
bin. Und was ist bitte so falsch daran? Schließlich und endlich bin ich doch derjenige, der das äußerst … vergnügliche Erlebnis hatte, dich zu küssen, nicht wahr? Während er immer noch wie ein verzweifelter, streunender Hund herumstreicht und auf eine Einladung wartet.« Slades Blick schweifte genüßlich über ihren Körper und verweilte dann auf ihrem Mund. Mit hämischem Grinsen strich er sich über seinen Schnurrbart. »Ich wette, der alte Ox würde zu gerne wissen, was er da verpaßt«, sagte er.
»Oh-o-oh!« rief Rachel. »Wie kannst du es wagen, mich an diesen furchtbaren Tag zu erinnern – du – schrecklicher Kerl! Gott, wenn ich doch nur ein Mann wäre, nur eine Minute lang, dann würde ich dir eine verpassen!«
»Nun, wenn dir so zumute ist«, konterte Slade, »dann wär’s wohl besser, du bringst uns heute keinen Essenskorb. Irgendwie habe ich den Eindruck, daß es wesentlich sicherer wäre, heute im Douglas Avenue House zu essen!«
Rachel hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Nachmittag zu den Beechams zu reiten und den beiden Männern und drei Buben einen Korb mit dem Abendessen zu bringen. Somit kam sie jeden Tag zu einer kleinen und zu ihrer Überraschung sehr vergnüglichen Pause und konnte auch sehen, wie die Arbeit voranging, nämlich sehr langsam. Das lag daran, daß durch das Frühlingstauwetter der Boden nur noch Morast war. Das machte es schwierig, den Keller zu graben, der lebenswichtig für die Lagerung von Lebensmitteln war und auch als Schutz während der sommerlichen Hundstage diente, wenn oft ohne Warnung Tornados das Land heimsuchten. Außerdem war es eine sehr mühsame Angelegenheit, die Balken für das Blockhaus aus den Sägemühlen in Wichita herbeizuschaffen. Schwere Steine für den Kamin mußten auf weit entfernten Feldern gesammelt und gelegentlich auf handlicheres Maß zerteilt werden, ehe man sie einsetzte, und mit einer Mischung aus Flußsand und Kalk (den man mittels Verbrennung von Muschelschalen und Büffelhaar gewann) ließen sich Ritzen füllen und der Kamin mauern.
Slade baute die Hütte vernünftigerweise nahe am Brunnen – was man von Anfang an hätte machen sollen, schimpfte er, anstatt erst das Haus zu errichten und dann den Brunnen zu graben.
»Na ja, wahrscheinlich hat Jonathan nicht daran gedacht«, bemerkte Rachel. »Schon bevor er anfing, soviel zu trinken, war er nie besonders praktisch. Er hatte die größten Schwierigkeiten, die Farm überhaupt in Gang zu bringen. Aber wahrscheinlich mußte er sich nie selbst durchbringen, bevor er nach Kansas kam. Er ist schließlich auf einer Plantage aufgewachsen und immer von hinten bis vorne bedient worden.«
»Nein, das mußte er nie«, stimmte Slade zu. »Soweit ich mich erinnere, haben seine Eltern ihn total verzogen. Nichts war zu gut für den einzigen Erben von Beechams Landing – meine Schwester eingeschlossen. Aber dann kam der Krieg, der Norden hat gewonnen, und hinterher gab’s im Süden nicht mehr viel zu erben. Ein ganzer Haufen Jungs ist für die ›Glorreiche Sache‹ gestorben, von der sie nicht einmal etwas begriffen haben und die Hälfte von denen, die überlebt haben … denen ist es ergangen wie Beecham … oder noch schlimmer. Er hat wenigstens noch alle seine Gliedmaßen.«
»Du warst im Krieg, nicht wahr, Slade?« fragte Rachel zögernd, sie wollte nicht zu neugierig sein.
»Ja in der C. S. A. Ich war noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, ein neunzehnjähriger Kavallerieleutnant – hauptsächlich weil die Offiziere in meiner Truppe sich haben umbringen lassen, bis ich der einzige war, den man noch befördern konnte.«
»Hast du da das Schießen gelernt?«
»Nein, das war auf der Plantage meines alten Herrn, Cypress Hill, bevor ich von zu Hause weggegangen bin, nach New Orleans, auf der Suche nach grünerem Gras.«
»Ich dachte – ich hab’ gedacht, das wäre, weil du – du hast einen Mann erschossen. Bei einem Duell in New Orleans. Ich meine, das hat India mir erzählt, daß du von Cypress Hill weggelaufen bist, weil sie dich vielleicht sonst- wegen Mordes aufgehängt hätten.«
»India hat das erzählt, ja?« Slade warf Rachel einen scharfen Blick zu und fragte sich, was India wohl noch alles erzählt hatte.
Rachel nickte.
»Na ja, das stimmt. Sie hätten mich todsicher aufgehängt – oder zumindest habe ich das damals geglaubt. Unglücklicherweise hab’ ich damals noch nicht so gut wie jetzt geschossen und war zu unerfahren, um das zu erreichen, was ich mir
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