Wildes Blut
daß er ein Teil ihres Lebens war. Widerwillig legte Rachel ihn vorsichtig in die alte Kiste und deckte ihn zu.
»Schlaf gut, Toby, mein Schatz«, flüsterte sie. »Und träum was Schönes.«
12. KAPITEL
Die Tage nach Slades Ankunft verliefen bald nach einem Muster, was Rachel gar nicht recht war, denn sie hatte gehofft, ihn so wenig wie möglich sehen zu müssen. Aber weil er auf Wunsch ihres Großvaters sein Quartier in der Scheune aufgeschlagen hatte, bis ein neues Blockhaus auf dem Grundstück der Beechams gebaut werden konnte, sah Rachel ihn sehr häufig.
Slade erschien jeden Morgen pünktlich, gewaschen und gekämmt am Frühstückstisch, begrüßte sie freundlich, war aber noch immer so mißtrauisch, daß er sich das Essen immer selbst von den dampfenden Schüsseln und Platten nahm, die sie auftrug. Während des Essens unterhielt er sich meist ganz locker mit Fremont, Poke und den Kindern, so als würde er sie schon seit Jahren kennen. Er brachte mit seinen Geschichten und Witzen alle zum Lachen, die häufig gegen Rachel gemünzt waren, was sie sehr erboste. Aber sie gab nicht klein bei und konterte mit etlichen hinterhältigen Spitzen ihrerseits, die der freche Kerl ihr auf einer imaginären Tafel grinsend ankreidete. Fremont und Poke begrüßten das immer mit lautem Gejohle und bemerkten immer wieder, daß »Rachel endlich ihren Meister gefunden habe«.
Nach dem Frühstück schickte Slade in der Regel Gideon, Caleb und Philip im Wagen der Beechams los, den er von ihrem Vater konfisziert hatte. Sie fuhren rüber zum Haus, während er in die Stadt fuhr, um Jonathan aufzulesen, der trotz aller Drohungen Slades jeden Abend nach Delano ritt, um sich sinnlos zu betrinken. Rachel verstand nicht, wieso er sich überhaupt mit Beecham abgab. Aber als sie ihn danach fragte, meinte er, Jonathan sei schließlich immer noch der Vater der Kinder. Außerdem war Slade der Meinung, er selbst wäre es den Kindern und India schuldig, zumindest zu versuchen, ihn auszunüchtern und zu bessern – obwohl sich seine Bemühungen als ebenso sinnlos erwiesen wie vorher die von Rachel.
»Man möchte doch meinen, daß er es allmählich leid ist, aus irgendeinem schäbigen Saloon gezerrt und in die nächste Tränke geworfen zu werden«, bemerkte sie trocken.
»Ja«, erwiderte Slade. »Um ehrlich zu sein, ich bin überrascht, daß er noch nicht auf und davon ist, aber wahrscheinlich hat er nicht den Mut dazu. Eins ist sicher: er ist das armseligste Stück Sch …, das mir je unter die Augen gekommen ist. Jedesmal wenn ich daran denke, daß India mit diesem Ba … Landstreicher verheiratet war, würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen.«
»Spar dir die Mühe. So wie du ihn rannimmst, wird er bald vor Erschöpfung tot umfallen. Er sieht furchtbar aus, Slade.«
»Nur weil er den ganzen Tag keinen Whisky kriegt. Tut mir leid – ich weiß, daß er ein kranker Mann ist –, aber er tut mir nicht im geringsten leid, Rachel. Er hat meiner armen Schwester das Leben zur Hölle gemacht, und der Himmel weiß, was mit den Kindern passiert wäre, wenn du sie nicht aufgenommen hättest. Du weißt verdammt gut, daß er sie praktisch ausgesetzt hat, nachdem India gestorben ist.«
»Ich weiß. Trotzdem bist du ein sehr harter Mann, Slade.«
»Na ja, du bist auch eine harte Frau, Rachel.«
»Das bin ich nicht!«
»Sicher bist du das«, sagte er grinsend. »Wie hättest du dich sonst so lange der Werbung des alten Ox widersetzen können? Ehrlich, Rachel, wenn du nicht vorhast, den Schweden zu heiraten, würdest du dem Armen wirklich einen Gefallen erweisen, wenn du ihn einfach erschießt und ihn von seinen Qualen erlöst.«
Rachel warf verächtlich den Kopf zurück.
»Woher weißt du denn, daß ich ihn nicht heiraten werde?« stichelte sie. »Vielleicht hab’ ich meine Meinung geändert und mich entschlossen, doch ja zu sagen.«
Slades Gesicht verfinsterte sich für einen Augenblick, und sein Lächeln verschwand. Dann schnaubte er verächtlich.
»Ja«, sagte er spöttisch, mit halbgeschlossenen Lidern, damit sie den Ausdruck in seinen Augen nicht sehen konnte, »wenn die Schweine fliegen und die Kühe über den Mond springen, vielleicht. Du weißt genauso gut wie ich, daß man eine temperamentvolle Stute nicht an einen sturen Ochsen schirrt, Rachel.«
»Gus ist überhaupt nicht stur«, erwiderte sie. »Er ist ein guter Mann – um Längen besser als du auf jeden Fall! Gus ist ein Gentleman!«
»Was wohl heißen soll, daß ich keiner
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