Wildes Erwachen
daran denken!«
Brückner nickte besorgt: »Das heißt, wir müssen das Mädchen schnellstmöglich finden. Also, ich setz’ mal in Eger alle Hebel in Bewegung, vielleicht kann uns ja auch einer unserer V-Leute weiterhelfen.«
»Und ich, was kann ich tun?«, fragte Kral zaghaft.
»Dasselbe, was auch wir tun werden: Frag nach bei Leuten, die vielleicht eine Ahnung haben, welche Bedeutung Bunka oder Bunko noch haben könnte, es könnte ja sein, dass einer deiner Kollegen da was weiß.«
Auf dem Heimweg beschäftigte Kral die Frage, wen er denn zur Entschlüsselung des Rätsels heranziehen könnte. Brückners Hinweis, er könne sich ja auch mit einem Kollegen in Verbindung setzen, entlockte ihm dann doch ein stilles Grinsen. Der Pädagoge mit Hochschulabschluss lässt sich nicht gerne auf Diskussionen über ein Milieu ein, das so ganz und gar nicht mit seinem Status vereinbar ist. Selbst sein Kollege und Freund Dr. Albert Bald mit seinen fundierten Kenntnissen über das Nachbarland würde sich das schlüpfrige Thema auf seine typische Art vom Leib halten: zunächst lang anhaltendes, lautes Lachen, um dann eine rhetorische Gegenoffensive einzuleiten, die das Kralsche Begehren in die Nähe spätpubertärer Phantasien rücken würde.
Schließlich kristallisierten sich drei Namen heraus: Liebermann, der sich nachgewiesenermaßen hervorragend in der Szene auskannte, dann Miluš Conradi, eine geborene Tschechin und Inhaberin des »Cafés Conradi«, und Pavel Horák, der in einem anderen Selber Café als Kellner arbeitete.
Dieser schmächtige, schwarzhaarige Lockenkopf war aus den verschiedensten Gründen sehr beliebt bei seiner Kundschaft: Der Ober alter Schule war höflich, freundlich und charmant. Außerdem hatte er immer Zeit für ein Pläuschchen mit seinen Gästen. Sein unüberhörbares Markenzeichen war seine deutsche Aussprache, der er auf angenehme Weise die singende Melodie des Tschechischen beimischte.
Horák hatte in Gesprächen mit Kral gelegentlich einfließen lassen, dass er gerne bei der tschechischen Polizei als Dolmetscher arbeiten würde, weil er ja ohnehin gut Deutsch spreche und sich sehr gut in der »Szene« auskenne. Was auch immer sich hinter dieser Andeutung verbarg – da half auch das nachgeschobene »No, Sie wissen, was ich meinä« nicht weiter – blieb der Phantasie Krals überlassen. War von dem Mann nichts Verwertbares zu erfahren, blieben immer noch die beiden anderen.
Kurz vor fünf betrat er das »Café am Dom«. Er war der einzige Gast. Pavel Horák schaute ein wenig zu demonstrativ auf seine Armbanduhr, nahm aber seine Bestellung, einen Cappuccino, freundlich lächelnd entgegen. Als der Kaffee serviert war, machte sich der Ober an der Kasse zu schaffen. Offensichtlich war er schon bei der Abrechnung. Kral hatte nicht damit gerechnet, dass das Café schon so früh schließen würde. Also keine Zeit mehr für ein langsames Anschleichen! Er musste die Sache umgehend angehen! Aber wie? Er durfte ja auf keinen Fall konkrete Fakten ansprechen.
Als er den Blickkontakt zu dem Kellner hergestellt hatte, gab er ihm zu verstehen, dass er ein Anliegen habe: »Ich habe da ein kleines Problem«, begann er, »besser gesagt, eine Frage: Sagen Ihnen die Begriffe Bunka oder Bunko etwas?«
Kurzes Überlegen: »Ganz einfaach, näben die deutsche ›Bunker‹ sähe ich da als Tschechä auch einä Ähnlichkeit mit die tschechischä ›buňka‹ oder natirlich auch mit ›bunkr‹, die Bedeutungen kännen Sie ja.«
»Würde ich auch sagen«, antwortete Kral, »aber die Sache ist etwas komplizierter: Die Dame, die mir diese Begriffe hinterlassen hat, kann eigentlich nichts mit Zellen oder Bunkern zu tun haben. Und fragen kann ich sie im Moment auch nicht.«
Horák überlegte: »Ziemlich komisch, nicht?«, dann grinste er: »Damä? Speziellä Damä? Kann es sein, dass diesä Frau etwas zu tun hat mit älteste Gewerbä?«
Kral antwortete zögerlich: »Könnte man vielleicht so ausdrücken.«
Horák begann zu lachen und blickte zum Tresen. Dort hantierte inzwischen der Chef. Er senkte seine Stimme und wechselte ins Tschechische: »Ui, jujui, Herr Kral! Sie und solche Sachen! Also, in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel ein Bunker ein Ort, wo man diese Frau vielleicht hinschickt, weil sie nicht fleißig war.«
Kral staunte, denn er hatte kaum damit gerechnet, dass der Mann so schnell auf diese Spur gekommen war. »Und wo findet man ein solches Gefängnis?«, wollte er wissen.
»No, Herr
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