Wildes Erwachen
Hause gekommen, da klingelte das Telefon.
»Kral.«
»Hallo Jan!«
»Sei mir gegrüßt, Josef!«
»Du weißt Bescheid?«
»Schöner Schlag ins Kontor!«
»Kann man so sagen. Aber ich …«, die Sache schien ihm etwas peinlich zu sein, denn er rang hörbar um Worte, »… ich möchte, ich habe da noch eine Frage. Ich weiß, dass du nicht dauernd wegen mir hier rüberfahren kannst. Aber wir brauchen dich noch mal, so gegen acht hier in Asch.« Das Folgende ging ihm wieder flotter über die Lippen: »Übrigens, meine Suspendierung ist aufgehoben. Die Ganoven haben doch tatsächlich diese Svetlana Petrov als Zeugin für meine angeblichen Schandtaten benannt.«
»Sehr schön! Aber du hast mir immer noch nicht gesagt, was ich in Asch soll.«
»Ach so, wir wollen heute Abend noch einmal den Club unter die Lupe nehmen.«
Kral wurde wütend: »Und ich spaziere da mit hinein, so dass auch wirklich jeder Zuhälter sieht, dass ich für euch als Spitzel gearbeitet habe. Also Josef, sei mir nicht böse, aber du hast doch einen Knall!«
»Jan, ich verstehe deinen Einwand, aber du kannst sicher sein, dort hält sich niemand vom Personal auf, die werden vorher alle auf die Wache gebracht und verhört. Wir können uns in aller Ruhe in dem Puff umsehen. Vielleicht finden wir ja heraus, wo sich diese Svetlana aufhält. Ich will das Zimmer des Mädchens genau unter die Lupe nehmen, es könnte sich doch noch etwas Verwertbares finden. Und du bist der Einzige, der mir genau sagen kann, wo das Mädchen sein Zimmer hatte. Verstehst du doch?«
Was blieb ihm anderes übrig, als zu verstehen, schließlich ging es um Svetlana!
»Schon gut! Wann?«
»Halb acht.«
»Gut. Aber du holst mich an der Grenze ab. Mit meinem Auto fahr’ ich da nicht hin!«
»Alles klar, halb acht!«
Brückner blickte ihn verwundert an, als er aus dem Auto stieg, denn er hatte sich alle Mühe gegeben, nicht auf Anhieb erkannt zu werden. Kral, der Kopfbedeckungen hasste, weil er darunter schwitzte und seine dünnen Haare jegliche Fasson verloren, hatte sich die Pudelmütze seines Sohnes über den Kopf gezogen. Außerdem trug er den alten Trenchcoat, den Eva schon vor Jahren mit dem Hinweis »So was trägt man heute nicht mehr« auf den Dachboden geräumt hatte.
Im Polizeiwagen öffnete er sofort das Seitenfenster einen Spalt und brachte dann eine Pfeife in Gang, denn er hatte inzwischen gemerkt, dass der ausrangierte Mantel leicht müffelte.
Die Durchsuchung war schon voll im Gang. Im Gastraum stapelten sich Ordner und andere Unterlagen aus dem Büro.
»War schon jemand oben?«, fragte Brückner einen der Beamten. Der schüttelte den Kopf: »Erst machen wir mal den Papierkram hier unten.«
»Dann zeig mir mal das Zimmer der Dame!«, forderte er Kral auf.
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf. Im ersten Stock trafen sie auf eine Anordnung wie in Pensionen oder Hotels: Zunächst eine kleine Sitzgruppe mit zwei Sesseln und einem kleinen Tischchen, auf dem eine Schale mit Obstimitaten stand. Dann ein langer Gang, der am anderen Ende auf ein Fenster zulief und mit flauschiger Teppichware ausgelegt war. In regelmäßiger Abfolge die Zimmertüren, vier rechts, fünf links, allesamt mit Nummern versehen.
Kral strebte auf die Nummer vier zu. Der Schlüssel steckte, das Zimmer war nicht verschlossen. Er öffnete, machte Licht, blickte sich um und drehte sich dann erstaunt zu Brückner um: »Ihr Zimmer, da bin ich ganz sicher, aber doch etwas modifiziert.«
Ihm war sofort aufgefallen, dass jetzt die Wände mit Bildern und Postern geschmückt waren, die es bei seinen Besuchen noch nicht gegeben hatte. Das Zimmer schien bewohnt zu sein. Verstreut herumliegende Kleidungsstücke, vorwiegend Unterwäsche, und ein bis zum Rand mit Kippen gefüllter Aschenbecher verwiesen auf eine Bewohnerin, die nicht viel von Ordnung hielt. Kral trat vor den Spiegel und schälte sich aus dem Mantel, zog die Pudelmütze vom Kopf und versuchte dann mit seinem Kamm, die stark beschädigte Frisur zu ordnen.
Brückner ging vor dem Bett in die Knie und schnüffelte an dem zerwühlten Bettzeug.
Kral konnte angesichts dieses skurrilen Bildes das Lachen nicht zurückhalten und feixte: »Du machst hier wohl die Vertretung für den nicht vorhandenen Spürhund?«
»Kann man so sagen«, antwortete der Kapitän grinsend, »aber du brauchst kein Hund zu sein, um zu merken, dass in dem Bett mit Sicherheit noch kein Mensch geschlafen hat: kein Körpergeruch, eindeutig schrankfrisches
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