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Wildes Erwachen

Wildes Erwachen

Titel: Wildes Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Koenig , Birgit Koenig
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paar Minuten Fahrt in die gleiche Richtung wurde der Wagen langsamer und bog nach rechts ab. Nun schien das Auto ein Hindernis vor sich zu haben, das ziemlich hoch sein musste, denn der Fahrer brauchte einen zweiten Anlauf, um die Hürde mit einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal zu nehmen. Die anschließende Schleichfahrt dauerte nicht lange. Der Wagen hielt an und kurz darauf wurden die hinteren Türen geöffnet. Svetlana musste sich erst wieder an das helle Tageslicht gewöhnen. Als sie auf festem Boden stand, blickte sie mit leicht zusammengekniffenen Augen in die Runde. Überall die Zeugen des Verfalls: zerbrochene Fensterscheiben, abplatzender Putz und allenthalben verstreut liegende Abfallhaufen, die jetzt wie das gesamte Areal unter einer dicken Schneedecke lagen.
    Kein Zweifel! Das war die alte Fabrik, in die man sie nach ihrer Ankunft in Asch gebracht hatte. Der Schnee hatte zwar einiges verändert, aber dieses großzügige Portal eines Bürogebäudes, auf das Igor jetzt zeigte, hatte sie schon einmal betreten.
    Sie solle sich gefälligst flott bewegen, gab er ihr zu verstehen. Gar nicht so einfach, in dem tiefen Schnee voranzukommen, mit einer Reisetasche in einer Hand und leichten Halbschuhen an den Füßen.
    In dem Gebäude ging es ein paar Stufen nach oben. Rechter Hand lag eine Pförtnerloge, dahinter öffneten sich nach rechts und links lange Gänge. Ihr stilles Flehen: Bitte, bitte, jetzt nicht in den Keller! erfüllte sich: Igor ging ein paar Schritte in den rechten Gang, schloss dann eine Tür auf und bedeutete ihr, grimmig dreinblickend, hineinzugehen. Sie trat über die Schwelle und blickte in ein ehemaliges Büro. Ihr gegenüber waren zwei Fenster, etwas verdeckt von schäbigen Stoffresten, die einst Übergardinen gewesen sein mussten. Rechts standen Regale, die zum Teil noch mit Akten bestückt waren, und in der Mitte des Raumes zwei Schreibtische, die so zusammengeschoben waren, dass sich die Mitarbeiter gegenübersaßen. Es roch muffig und das gesamte Mobiliar war von einer Staubschicht bedeckt.
    Die Tür fiel krachend ins Schloss und deutlich hörbar drehte sich zweimal der Schlüssel. Sie stellte ihre Tasche ab und setzte sich auf einen Bürostuhl, nachdem sie mit einem Papiertaschentuch über die Sitzfläche gefahren war.
    Mit Tränen in den Augen blickte sie sich um: überall Staub und Dreck! Mit der rechten Hand fuhr sie über die Schreibtischplatte und betrachtete dann die Innenfläche ihrer Finger: Dreck, nichts als Dreck.
    Sie schloss die Augen und probierte es mit der Taktik, die sie vor dem Einschlafen fast immer zur Flucht aus der Misere anwandte: Sie rief Bilder aus glücklicheren Zeiten vor ihr inneres Auge, um sie mit in ihre Träume zu nehmen: Mit einem Knicks empfing sie vom Direktor ihr Abiturzeugnis und steuerte mit einem seligen Lächeln auf ihre Eltern zu, die ihr tüchtiges Mädchen voller Stolz in Empfang nahmen. Natürlich mussten sie auch bemerkt haben, dass ihrer Svetlana zum Teil recht unverhohlen Blicke der Bewunderung und des Begehrens zuflogen. Dann die Feier im Garten der Großeltern, ihr zu Ehren: Alle waren sie gekommen: Verwandte, Bekannte, darunter auch Alexej, der fesche Student aus Kiew. Blickte er nicht dauernd zu ihr herüber? Sie musste ihn unbedingt dazu bewegen, mit ihr zu tanzen. »Sind sie nicht ein wunderschönes Paar?«, hörte sie Mama sagen, als sie sich mit Alexej im Walzerschritt wiegte. Schließlich der erste Kuss und seine Liebeserklärung. Sie konnte es kaum fassen, ihr Glück.
    Jetzt sollte es eigentlich weiter gehen, dieses Glück: mit dem geliebten Partner, der rauschenden Hochzeit, dem ersten Kind und dem Einzug in das hübsche Häuschen auf dem Land. Aber irgendwann geriet der Film ins Stocken und lieferte Zerrbilder, die sie nicht sehen wollte: Fratzen schmierig grinsender Männer, die sie mit tollen Versprechungen betrogen und dafür gesorgt hatten, dass sie jetzt wirklich der letzte Dreck war.
    Männer! Und dieser deutsche Lehrer mit seinem väterlichen Getue war auch nicht besser. Er war doch nur gekommen, um sie auszuhorchen. Und dämlich wie sie war, hatte sie drauflos geplappert wie ein kleines Kind. Gnade ihr Gott, wenn die Typen von der Mafia das alles mitbekommen hatten! Das Balkan-Puff wäre für sie die gnädigste Lösung, ansonsten: »Dreck zu Dreck!« So oder so ähnlich nannten das doch die Pfaffen.
     
    Brückner war doch sehr überrascht, als ihn Kral über das Gespräch mit Pavel Horák informierte und dabei die Tosta

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