Wildes Erwachen
alles sehr schnell gegangen. In einem Kleinbus seien die beiden zusammen mit 12 anderen Frauen nach Asch gebracht worden, wo man sie in der alten Fabrik einquartiert habe. »An die Anfang schäne Zeit«, fuhr sie fort, »Igor mich lieben, wir zusamen in Bett. Igor mein grosse Liebä!« Bald aber habe sie gemerkt, dass sie ihn mit anderen Frauen teilen musste. Schließlich kam die schockierende Wahrheit ans Licht, dass sie sich prostituieren müsse, um ihre Schulden abzubezahlen. Sie schüttelte den Kopf: »Viel, viel Koruna für Pass, Bus, Schlafen und Essen. Ijch sagen ›nein‹, er mich schlagen.«
Schuster zeigte sich erstaunt: »Das sind doch klare Tatbestände! Unverständlich für mich, dass das so oder so ähnlich in Dutzenden von Puffs laufen kann!«
Kral ahnte, was jetzt kommen würde, denn der Hofer Kommissar hatte ein Thema aufgegriffen, das Brückner als aufreizendes Winken mit dem roten Tuch verstehen musste. Es war gut zu beobachten, wie sich Wut und Empörung aufbauten und den ganzen Mann steif werden ließen. Aber der Ausbruch blieb aus. Brückner biss sich auf die Unterlippe, fixierte Schuster und begann nach einer kurzen Pause ganz behutsam: »Mein lieber Hofer Freund, ich weiß jetzt nicht, wie oft ich das schon gesagt habe: Erstens, die Probleme hätten wir nicht, wenn da nicht all die Freier aus Deutschland kämen. Zweitens, das läuft alles auf der legalen Schiene: Die Frauen haben eine Arbeitserlaubnis, sie wohnen in den Clubs, die offiziell als Pensionen geführt werden. Der Besitzer, meistens ein Strohmann, ist ein unbescholtener Bürger, der nur die Miete der Frauen kassiert.« Jetzt wurde er lauter: »Und drittens sollten Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung wissen, wie schwer es ist, die Frauen zu bewegen, gegen die Gauner auszusagen. Die haben nämlich zunächst einmal mehr Angst vor der Polizei als vor ihren Zuhältern, die eigentlich nur dann so richtig gefährlich werden, wenn man sie verrät.«
Svetlana nickte heftig: »Viel Angst von Polizei!« Dem folgenden Redeschwall war zu entnehmen, dass man den Frauen wahre Schauergeschichten über polizeiliche Willkür erzählt hatte: Sie hätten mit Misshandlung, Folter und Vergewaltigung und schließlich mit hohen Haftstrafen zu rechnen.
Schuster, ahnend, dass von ihm jetzt so etwas wie Wiedergutmachung verlangt war, nickte heftig mit dem Kopf: »Kenne ich! Das erzählt man den Frauen auch in Deutschland.«
Svetlana war anzusehen, dass sie noch mehr loswerden wollte, ihr aber die entsprechenden Worte fehlten. Sie überlegte und begann, sich zögerlich voranzutasten: »Andere Problem!« Dann deutet sie der Reihe nach auf die drei Männer. »Du, du, du kann kaufen Frau. Mann in Kroatia kann kaufen Frau, okay? Machen Bild von Frau.« Sie blickte sich im Wohnzimmer um und deutete schließlich auf einen Quelle-Katalog, den sie in einem Regal entdeckt hatte. »Bild von Frau in Katalog, dann kaufen.«
Erwartungsvoll blickte sie in die Gesichter der Männer. Hatten sie kapiert, was sie da vermitteln wollte?
Brückner nickte bedächtig mit dem Kopf: »Ich glaube schon, dass ich da was verstanden habe. Also, mir ist bekannt, dass man eine Nu–, ich meine eine Prostituierte durchaus freikaufen kann. Ich kenne sogar einen Kollegen aus Asch, der hat sich in so ein Mädchen verliebt und ist inzwischen mit ihr verheiratet. Aber der hat ganz schön blechen müssen. Wie viel genau, weiß ich allerdings nicht.« Er blickte auf Svetlana und schüttelte den Kopf: »Aber mit dem Bild und dem Katalog komme ich nicht klar.«
Ein neuer Versuch: Svetlana stand auf, ging zum Fernsehapparat, tat so, als würde sie ihn einschalten, kniete sich dann vor den Couchtisch und simulierte die Fingerbewegungen auf einer Tastatur. Dann wieder der fragende Blick in die Runde.
Schuster hatte die Pantomime als erster entschlüsselt: »Internet! Man stellt die Frauen ins Netz. Sieht aus wie eine Heiratsvermittlung!«
Svetlana zeigte durch heftiges Nicken, dass sie verstanden worden war, ergänzte aber noch, dass nur solche Frauen angeboten würden, die man nicht mehr unbedingt als »frische Ware« anpreisen konnte.
Brückner stellte grinsend die Frage: »Wer hat? Wer kann? Ich sag’s gleich, mit diesem neumodischen Zeug will ich nichts mehr zu tun haben!«
Schuster räumte ein, dass er dabei sei, sich mit dem Computer anzufreunden, »allein schon aus dienstlichen Gründen«, fügte er hinzu, »aber Internet, keine Ahnung!«
Kral überlegte: Sollte er auf seinen Computer
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