Wildes Erwachen
verfallen sei. Natürlich seien diese Frauen auch treu, darüber hinaus romantisch und anschmiegsam. Ein schöner Wink mit dem Zaunpfahl, dann folgte aber der Hinweis, dass sie an harte Arbeit gewöhnt seien und sich nichts sehnlicher wünschten, als in einem bäuerlichen Umfeld zu leben.
Pustekuchen! Der Punkt Verschiedenes würde viel länger dauern, als er erwartet hatte. Man war bei einem Thema gelandet, das in schöner Regelmäßigkeit für hitzige Diskussionen in dem Gremium sorgte, nämlich bei der Frage, ob das so genannte Skilager in den Alpen, veranstaltet für die Schüler der Mittelstufe, noch sinnvoll und zeitgemäß sei. Zwei Fraktionen standen sich unversöhnlich gegenüber: die Fachschaft der Sportlehrer und die grün angehauchten Kollegen. Obwohl die Argumente schon hinreichend oft ausgetauscht worden waren, wurde verbissen diskutiert.
Kral, unsportlich wie er nun mal war, hatte eigentlich keine Sympathien für diese Art der Kinderverschickung, aber er wollte die Entscheidung eigentliche gerne bei den Kindern und den Eltern sehen. Seine Position war bekannt, deshalb sah er keinen Grund, sich an der Diskussion zu beteiligen. Seufzend richtete er sich auf die Verlängerung der Sitzung ein und vertiefte sich wieder in seine Unterlagen.
Er nahm sich nun den Fragebogen vor, den der heiratswillige Herr auszufüllen hatte. Mit seinen Kreuzchen sollte er eine Art Profil seiner zukünftigen Partnerin erstellen. Zunächst kamen recht unverfängliche Fragen nach dem Alter, dem Aussehen und den Vorlieben der Dame. Stutzig machten ihn allerdings die Fragen nach eventuellen Kindern der Frau: Geschlecht und Alter sollten genau bestimmt werden. Dann folgte noch eine Überraschung: Ob die Dame auch über tänzerische Fähigkeiten verfügen solle, wollte man wissen. Eindeutig ganz und gar nicht seriös! Wird sicher die beiden Herren von der Polizei interessieren! Kral hatte jetzt nur ein Ziel: Er musste unbedingt nach Hause, um sich die dazugehörige Bildergalerie anzusehen. Gab es einen Zusammenhang zwischen dem Institut und den Ascher Zuhältern? Waren vielleicht sogar Svetlana und Alena im Angebot? Wenn das nicht der Fall war, mussten die Bilder Svetlana vorgelegt werden. Sie konnte ziemlich sicher feststellen, ob es da Verbindungen gab.
Doch leider war das Ende der Sitzung nicht abzusehen! Aber Kral hatte einen Verbündeten: Dr. Hamann. Schon seit einiger Zeit blickte der ziemlich säuerlich drein. Dem äußerst korrekten und auf Effizienz bedachten Beamten schien die Sache lästig zu werden. Wie Kral war ihm aufgefallen, dass es inzwischen kaum noch um die Sache ging, sondern die hinreichend bekannten Dampfplauderer ihre Meinungsführerschaft unter Beweis stellen wolllten.
Komisch! Warum beteiligen sich eigentlich fast nie Kolleginnen an diesem Wettbewerb?
Seine Frau empfing ihn überraschend kühl. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernsehapparat ein. Sie hantierte in der Küche. Öffnen und Schließen des Kühlschranks, Teller- und Besteckklappern. Eindeutige Signale für die Vorbereitung des Abendbrots.
Seltsam, warum habe ich nach solchen Sitzungen immer so einen Bärenhunger, obwohl ich mich doch in keiner Weise angestrengt habe?
Er wartete auf Evas Ruf: »Abendessen!« – vergeblich. Sie musste jetzt, folgte er den Geräuschen aus der Küche, schon eine ganze Weile am Tisch sitzen und essen. Sein Blick in die Küche zeigte, dass für ihn gar nicht gedeckt war.
»Und was ess’ ich?«
Sie deutete: »Kühlschrank!«
Oje, dicke Luft! Aber keinerlei Schuldgefühl auf seiner Seite, keine Erinnerung an irgendein Fehlverhalten! Jetzt griff Kral zu seiner eigenwilligen Konfliktstrategie, der der Begriff Deeskalation völlig fremd war: Wortlos machte er sich am Kühlschrank zu schaffen, holte sich einige Scheiben Wurst aus der Tupper-Dose. Im Brotkorb neben dem Kühlschrank lag noch eine abgeschnittene Scheibe. Wurst drauf, zusammengeklappt und ab ins Wohnzimmer. Sie wird sich schon melden, wenn es Beschwerden gibt!
Als er das Brot verzehrt hatte, klaubte er seine Raucherutensilien zusammen und machte sich auf in Richtung Arbeitszimmer, schließlich musste das Heiratsinstitut etwas gründlicher unter die Lupe genommen werden. Auf seine in die Küche gerichtete Ansage »Ich muss noch mal in mein Zimmer« folgte eine überraschende Reaktion: »Du gehst jetzt nicht in dein Zimmer, du setzt dich jetzt an den Tisch, denn ich habe dir etwas zu
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